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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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geschlossenen Lidern zu sehen und zeigte ihr diesmal die obere Gesichtshälfte ihrer Mutter, die besorgt die Stirn runzelte. Ihre Nase und ihr Mund waren von einer Filtermaske verdeckt, wie man sie anlegte, wenn man ein Krankenhaus betrat, damit man sich nicht irgendeinen Superbazillus einfing. Clarke wusste, dass sie in einem Krankenhaus waren: sie und ihre Mutter und …
    Natürlich. Wer sonst?
    … ihr guter, alter Vater, der ebenfalls eine Maske trug. Ihm schien sie sogar zu stehen. Und dieses Mal konnte sie sich fast erinnern, dieses Mal wusste sie beinahe, was sie da sah. Doch hinter der Maske war keine Spur von Schuldgefühl zu entdecken, keine Besorgnis darüber, dass dieses Mal vielleicht alles herauskommen und die Ärzte es herausfinden würden, dass irgendein verräterisches Zeichen ihnen mitteilen würde: Nein, das war kein Unfall, kein einfacher Sturz die Treppe hinunter …
    Die liebevolle Fassade des Ungeheuers war zu perfekt. Das war sie immer. Sie hätte längst nicht mehr sagen können, wie oft solche Bilder sie in den letzten Monaten vergewaltigt hatten. Und sie hatte darin stets nach einem Hinweis auf die Hölle gesucht, die sie in ihrer Kindheit erlebt hatte. Doch alles, was sie sah, war diese grausame Vortäuschung von Normalität, die sie verspottete.
    Wie immer verschwanden die Bilder nach einer Weile, und die wirkliche Welt trat wieder an ihre Stelle. Inzwischen hatte sie sich beinahe daran gewöhnt. Sie brüllte nicht mehr länger Erscheinungen an oder streckte die Hand aus, um Dinge zu berühren, die nicht existierten. Ihre Atmung blieb ruhig. Sie wusste, dass für die Menschen um sie herum nichts geschehen war. Eine Frau mit einem Visor hatte in einem Imbiss kurz beim Essen innegehalten. Das war alles. Der einzige Mensch, der das Blut in ihren Ohren pochen hörte, war Lenie Clarke selbst.
    Doch Lenie Clarke gefiel das Ganze überhaupt nicht.
    Eine Reihe von Medzellen entlang der Wartehalle warben mit günstigen Preisen und wöchentlich aktualisierten Erregerscans ! Eigentlich mied sie solche Verlockungen, seit die Zelle in Calgary sie gebeten hatte, doch zu bleiben, aber das war ein Dutzend Lügen vorher gewesen. Jetzt verließ sie ihren Tisch und ging durch die bunt gemischte Menge hindurch, wobei sie sich stets bemühte, Abstand zu halten. Die Menschen rempelten sie trotzdem hier und dort an – aus irgendeinem Grund wurde es immer schwieriger, Körperkontakt zu vermeiden. Die Menge schien stetig dichter zu werden.
    Und viel zu viele von ihnen trugen Augenkappen.
    Die Medzelle war beinahe so geräumig wie ihr Quartier in der Station Beebe.
    »Leichter Mangel an Kalzium und dem Spurenelement Schwefel«, teilte ihr die Medzelle mit. »Erhöhte Werte bei Serotonin und adrenocorticoiden Hormonen. Hohe Anzahl von Blutplättchen und Antikörpern, die auf eine leichte körperliche Verletzung innerhalb der letzten drei Wochen hinweist. Nicht lebensbedrohlich.«
    Clarke rieb sich die Schulter. Inzwischen tat sie nur noch weh, wenn sie daran dachte. Selbst die Blutergüsse in ihrem Gesicht waren fast verschwunden.
    »Abnormal hohe Konzentration von Stoffwechselprodukten in den Zellen.« Biomedizinische Details flackerten über die Hauptanzeige. »Niedrige Laktatwerte. Ihr Grundumsatz ist ungewöhnlich hoch. Das ist nicht unmittelbar gefährlich, kann jedoch langfristig die Abnutzung der Organe beschleunigen und die Lebenserwartung erheblich reduzieren. RNA- und Serotonin-Syn …«
    »Irgendwelche Krankheiten?«, fragte Clarke, um zur Sache zu kommen.
    »Die Zahl der Krankheitserreger befindet sich im sicheren Bereich. Wünschen Sie weitere Untersuchungen?«
    »Ja.« Sie nahm den NMR-Helm vom Haken und setzte ihn sich auf den Kopf. »Einen Gehirnscan.«
    »Leiden Sie unter bestimmten Symptomen?«
    »Ja, ich habe … Halluzinationen«, sagte sie. »Nur Bilder … keine Geräusche, Gerüche oder so. Bilder in Bildern, ich kann an den Rändern vorbeisehen, aber …«
    Die Zelle wartete. Als Clarke nicht weitersprach, begann sie leise vor sich hin zu summen. Ein leuchtender dreidimensionaler Umriss des menschlichen Gehirns begann auf dem Bildschirm zu rotieren und sich Stück für Stück mit verschiedenen Farben zu füllen.
    »Sie haben Schwierigkeiten, soziale Bindungen aufzubauen«, stellte die Medzelle fest.
    »Was? Wie kommst du darauf?«
    »Sie leiden unter einem chronischen Oxytocin-Mangel. Allerdings ist diese Störung therapierbar. Ich kann Ihnen ein Mittel verschreiben …«
    »Vergiss es«,

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