Maienfrost
der beiden gewusst zu haben.«
»Und wenn schon! Was spielt das für eine Rolle? Ich kann mir ohnehin nicht vorstellen, was die Polizei dazu veranlasst, sich nach dreizehn Jahren noch immer dafür zu interessieren. Sollten Sie nichts Besseres zu tun haben?« Seiner Frage war anzumerken, dass er sich in die Enge getrieben fühlte.
Doch Henning ließ sich nicht davon beeindrucken. »Ich kann Ihnen gerne sagen, warum dieser Fall für uns plötzlich wieder von Bedeutung ist. Dank eines außergewöhnlichen Zufalls ist es uns gelungen, die Todesursache von Carmen und David herauszufinden. Anhand dieser Tatsache müssen wir davon ausgehen, dass derselbe Täter, auf dessen Konto diese beiden Morde gingen, erneut zuschlug. Wiederum auf jene Weise. Um Sie ins Bild zu setzen, ich spreche von den Frauenmorden auf Rügen. Ich nehme an, Sie haben davon gehört?«
Während Micha Kronstedt abermals nickte, machten sich hektische rote Flecken auf seinem Gesicht bemerkbar. Seine Hände strichen unruhig über den Stoff seiner teuren Sommerhose. »Und was bitte schön soll ich mit der ganzen Sache zu tun haben?«, erkundigte er sich mit brüchiger Stimme.
Wie er so vor ihm saß, machte er auf Henning einen verunsicherten Eindruck. Überhaupt entsprach Micha Kronstedt, wenn er ehrlich sein sollte, nicht im Geringsten seinen Erwartungen. Aufgrund der von Almut Miersch geschilderten Persönlichkeit hatte sich der Kommissar einen unscheinbaren, mit Pickeln übersäten Langweiler vorgestellt. Doch diese Einschätzung wurde dem Mann, der ihm gegenüber saß überhaupt nicht gerecht. Vielmehr traf das genaue Gegenteil zu. Hennings Meinung nach konnte Carmens Verehrer nicht viel älter als Mitte der dreißig sein. Micha Kronstedt besaß ein markantes Gesicht, das von kastanienbraunem, seitlich gescheiteltem Haar umgeben war. Seine tief liegenden Augen und die schmale, leicht gebogene Nase verliehen seinen Zügen etwas Geheimnisvolles. Gleichzeitig ging etwas Trotziges von seinem fest aufeinander gepressten schmallippigen Mund aus. Ohne kräftig zu sein, wirkte er durchtrainiert. Seine muskulösen Oberarme, die sich unter dem kitschig bunten Sommerhemd, das er trug, abzeichneten, ließen erahnen, dass er Kraftsport betrieb. Ähnlich wie Pascal Austen, verfügte auch er über einen tadellos in Schuss gehaltenen Körper. Henning fiel auf, dass die beiden Männer dem Typ nach sogar eine gewisse Ähnlichkeit aufwiesen. Nachdem er seine Betrachtungen beendet hatte, fuhr er mit seiner Befragung fort. »Nun mal ernsthaft, warum haben Sie damals verschwiegen, dass Carmen und David einander kannten?«
»Habe ich das?«, versuchte Micha Kronstedt von dem ihm unangenehmen Thema abzulenken.
Der Kommissar spürte Wut in sich aufsteigen. »Jetzt hören Sie mal gut zu, es geht hier nicht um irgendein belangloses Verbrechen sondern um Mord! Entweder Sie sagen mir jetzt, was Sie wissen, oder ich lasse Sie höchstrichterlich vorladen!«
Seine Drohung schien zu fruchten.
»Ich gebe zu«, bekannte Micha Kronstedt, seinen Widerstand aufgebend, »dass die beiden sich durch mich kennen gelernt haben. Bei einem seiner Besuche begleitete David mich zu unserem alljährlich stattfindenden Sommerfest. Ich war dort mit Carmen verabredet. Kaum hatte ich die beiden miteinander bekannt gemacht, schienen sie nur noch Augen füreinander zu haben. Können Sie sich vorstellen wie mir zumute war? Schließlich gehörte Carmen doch zu mir. Ich hatte nicht vor, sie mit jemandem anderen zu teilen, schon gar nicht mit David. An jenem Abend jedoch waren mir die Hände gebunden. Ich musste tatenlos mit ansehen, wie die beiden schamlos miteinander flirteten. In diesem Augenblick schien ich für sie gar nicht mehr zu existieren. Irgendwann verloren sie sich im Gedränge. Ich konnte sie nirgendwo mehr finden. Als David dann gegen Morgen nach Hause kam, schwärmte er mir unentwegt von Carmen, seiner, wie er es ausdrückte, ersten großen Liebe, vor. Obwohl ich rasend vor Eifersucht war, versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen. Um mich zu beruhigen, hielt ich mir vor Augen, dass unser Gast in wenigen Stunden abreisen und Carmen mir dann wieder ganz allein gehören würde. So zumindest dachte ich. Aber die mit David verbrachte Nacht schien schwerer zu wiegen, als anfangs von mir angenommen. Carmen hatte sie verändert. Von diesem Tag an war nichts mehr wie vorher. Dennoch versuchte ich mir einzureden, dass alles gut werden würde. Irgendwann würde Carmen vergessen. Dafür wollte
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