Maienfrost
seines Gegenübers vielmehr darin, was er Carmen angetan hatte. Henning zückte seinen Stift: »Ich gehe mal davon aus, dass Ihnen zumindest der Name jener Dame, mit der Sie den Abend und die Nacht des achtzehnten Juli verbrachten, bekannt ist?«
»Sie sind gut! Weshalb hätte ich mich danach erkundigen sollen? Mir ging es lediglich darum, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen. Mir ihren Namen nennen zu lassen, hielt ich für überflüssig. Ich hätte ihn ohnehin nicht behalten. Tut mir Leid. Aber diesen Beweis muss ich Ihnen schuldig bleiben.«
»Aber Sie werden doch sicher noch wissen, wo Sie die Damen kennen gelernt haben. Ich würde Ihnen empfehlen, Ihre grauen Zellen anzustrengen. Je präzisere Angaben Sie uns liefern können, umso leichter ist es für uns, Ihr Alibi zu überprüfen.«
Noch während Micha Kronstedt des Kommissars Worten nachhing, reichte dieser ihm einen mit seiner Handynummer versehenen Zettel. »Hier, für den Fall, dass Ihnen noch etwas einfällt.«
Weil es von seiner Seite aus im Moment keine weiteren Fragen gab, erhob er sich, um sich zu verabschieden. Widerwillig ergriff er die ihm zum Gruß hingehaltene Rechte des jungen Mannes. Sein Händedruck fühlte sich feucht und schwammig an. Genauso, wie Henning es erwartet hatte. Die Klinke schon in der Hand, drehte er sich noch einmal um. »Wie lange wollen Sie noch bleiben?«, erkundigte er sich.
Micha Kronstedt schien unschlüssig. »Ich habe das Zimmer bis zum kommenden Sonnabend gemietet. Aber nach dem, was ich soeben erfahren habe, kann es auch gut sein, dass ich schon eher abreise …«
»Das bleibt Ihnen überlassen. Allerdings muss ich darauf bestehen, über Ihre Pläne informiert zu werden. Meine Telefonnummer haben Sie ja. Es könnte durchaus sein, dass wir Sie noch einmal befragen müssen.«
15
Auf der Suche nach einer geeigneten Gaststätte, fiel ihre Wahl auf eines der einladenden Straßencafés die sich am Alten Markt, in der Nähe des im gotischen Stil erbauten Stralsunder Rathauses befanden. Nachdem Leona und Henning sich an einem der wenigen noch freien, von einem Sonnenschirm überdachten Tische niedergelassen und ihre Bestellung aufgegeben hatten, berichtete der Kommissar von seinem Gespräch mit Micha Kronstedt. Leona hörte ihm aufmerksam zu. Auch sie schien fassungslos und angewidert über die Kaltblütigkeit, mit welcher der junge Mann die aufkeimende Liebe von Carmen und David zu zerstören wusste. Dass er auch im Nachhinein keinerlei Reue zeigte, schien ihr bezeichnend für seinen Charakter zu sein. »Glauben Sie, dass er es war?«
Henning überlegte. Das Erscheinen des Kellners, der zwei beschlagene, mit Zitronenscheiben und Eiswürfeln versehene Gläser Mineralwasser vor ihnen platzierte, gab ihm Zeit zum Nachdenken.
Als die Bedienung sich wieder entfernt hatte, versuchte er, den von Micha Kronstedt gewonnenen Eindruck in Worte zu kleiden. »Ich kann mich sicher täuschen«, gab er zu bedenken, »aber nach allem, was dieser Kerl von sich gab und wie er sich dabei benahm, würde ich es ihm schon zutrauen. Ein Alibi musste er auch schuldig bleiben. Für die Polizei wäre es sicher kein Problem, seine Angaben zu überprüfen. Wie ich herausfinden könnte, mit wem er besagte Nächte verbrachte, ist mir im Moment noch nicht so recht klar.«
»Wäre es nicht ratsam, Peer von Ihrem Gespräch zu unterrichten? Ich denke, die bisher gewonnenen Erkenntnisse sollten eine Überprüfung von Micha Kronstedt rechtfertigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass seine Vorgesetzten das anders sehen könnten. Ich zumindest finde die soeben gehörten Neuigkeiten höchst alarmierend.«
Während der Kellner sich ihrem Tisch mit dem Essen näherte, das aus zwei großen Portionen Seezunge bestand, versuchte Henning, Leonas Rat beherzigend, Peer auf dessen Handy zu erreichen.
Nachdem die von starkem Rauschen überschattete Verbindung zustande gekommen war, lieferte er seinem Freund eine kurze Zusammenfassung des mit Micha Kronstedt geführten Gesprächs. Peer, der schweigend zugehört hatte, ließ ihn wissen, dass er zu einer dienstlichen Lagebesprechung nach Stralsund unterwegs sei. Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet, dass ihm noch etwas Zeit zur Verfügung stand. Aufgrund der Informationen und der Aussicht, Leona wieder zu sehen, ließ er sich von Henning den Weg zur Gaststätte beschreiben.
Kommissar Lüders hatte gerade seinen letzten Bissen der ihm vorzüglich mundenden Seezunge in den Mund geschoben, als er Peer, der sich
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