Maienfrost
gehörenden Sesseln bestand, gab ein, von zwei riesigen Fächerpalmen begrenztes Panoramafenster, den Blick auf den Knieperteich frei. Nachdem Henning sich beeindruckt umgesehen hatte, begab er sich zur Rezeption, um sich zu erkundigen, ob Micha Kronstedt auf seinem Zimmer sei. Das junge Mädchen, welches hinter dem Empfangstresen seinen Dienst versah, ließ ihn wissen, dass der von ihm Gesuchte gerade gegangen sei. »Eigentlich«, so mutmaßte sie, »hätte er Ihnen begegnet sein müssen.«
Das soeben Gehörte ließ Henning davon ausgehen, dass damit nur der Mann gemeint sein konnte, mit dem er vor wenigen Augenblicken beinahe zusammengestoßen wäre. Eilig verließ er die Herberge. Als er wenig später wieder auf der Straße stand, sah er, wie jener Mann, von dem er annahm, er sei Micha Kronstedt, im Begriff war, in einen schwarzen Mercedes mit dunkel getönten Scheiben einzusteigen. Die Straße überquerend lief Henning schnellen Schrittes auf ihn zu. »Herr Kronstedt?«
Verwundert wandte der so Angesprochene sich ihm zu.
»Sie sind doch Micha Kronstedt?«, vergewisserte sich der Kommissar. Die Richtigkeit seiner Annahme wurde ihm durch ein kaum wahrnehmbares Kopfnicken bestätigt. Henning, der sich ihm daraufhin als Polizeibeamter vorstellte, registrierte erleichtert, dass sein Gegenüber sich mit dieser Antwort zufrieden zu geben schien. Er verzichtet sogar darauf, sich seinen Ausweis zeigen zu lassen.
»Habe ich etwa vergessen, einen Strafzettel zu bezahlen oder stand ich zu lange im Halteverbot?«, erkundigte er sich stattdessen.
»Ich komme nicht wegen eines Verkehrsdelikts, sondern um mich mit Ihnen über Carmen Austen zu unterhalten.« Noch während er sprach, konnte der Kommissar beobachten, wie Micha Kronstedt unter seiner Bräune blass wurde.
Ein Laster donnerte lautstark an ihnen vorüber. Mit Blick auf die belebte Hauptstraße schlug Henning vor, das Gespräch an einem ruhigeren Ort fortzusetzen. »Könnten wir uns in der Pension unterhalten?«
Micha blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Auf seinem Zimmer angekommen, ließ er sich dem Kommissar gegenüber in einem der beiden bequemen dunkelblauen Clubsessel nieder. »Wie haben Sie mich überhaupt gefunden?«, erkundigte er sich. »Schließlich weiß nicht einmal meine Mutter, wo ich mich derzeit aufhalte.«
»Um das herauszubekommen, ist ja schließlich die Polizei da. Aber wie Sie schon richtig vermuteten, haben wir uns bei Ihrer Mutter nach Ihnen erkundigt. Als wir von ihr erfuhren, dass Sie in Stralsund seien, war der Rest reine Routine.«
»Und nur weil Sie mit mir über Carmen reden wollen, haben Sie sich die Mühe gemacht mich aufzuspüren?«, fragte er ungläubig.
»Der Grund ist weitaus brisanter. Aber dazu später. Zunächst einmal geht es mir um Ihr Verhältnis zu Carmen Austen und David Küster. Soviel ich weiß, waren Sie mit beiden befreundet«, kam Henning auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen. Micha Kronstedt nickte, sagte jedoch nichts. »Mich würde interessieren, warum Sie der Polizei damals verschwiegen haben, dass die beiden einander kannten. Warum diese Geheimniskrämerei?« Die Reaktion auf seine Frage ließ erkennen, dass er ganz offensichtlich einen wunden Punkt berührt hatte. Dass es ihm gelungen war, Micha Kronstedt damit aus der Fassung zu bringen, veranlasste Henning zu der berechtigten Hoffnung, mit seiner Vermutung – denn mehr war es ja bisher nicht – ins Schwarze getroffen zu haben. Endlich kam Bewegung in die Sache, begann sich der wahre Hintergrund abzuzeichnen. Wie schon des Öfteren bemühte er in diesem Zusammenhang den Vergleich mit einem Puzzlespiel. Auch dort schloss sich am Ende der Kreis, sprich das fertige Bild, wenn es gelang, die entsprechenden Teile in der richtigen Reihenfolge aneinander zu fügen.
Als Reaktion auf Micha Kronstedts beharrliches Schweigen erkundigte sich Henning, ob es ihm die Sprache verschlagen habe.
»Ich weiß gar nicht was Sie wollen! Um mir zu unterstellen, etwas verheimlicht zu haben, hätte man mich doch wohl erst einmal befragen müssen. Das jedoch war nicht der Fall.«
»Wenn Sie dabei auf ein polizeiliches Verhör anspielen, mögen Sie Recht haben. Ich jedoch spreche von Albert Pirell, jenem zu dem Fall hinzugezogenen Rechtsmediziner, der der Sache auf eigene Faust nachging. Aus seinen, mir vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass Sie von ihm befragt wurden. Es fand sich darin auch der Vermerk, dass Sie damals angaben, nichts von einem Verhältnis
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