Maienfrost
sollten dazu dienen, von seiner eigentlichen Tat abzulenken. Wer käme schließlich schon auf die Idee, in ihm den Mörder zu suchen, wenn er in keinem erkennbaren Verhältnis zu den beiden anderen Opfern stand.«
»Hast du dich mal gefragt, was ihn dazu verleitet haben könnte, sein Verbrechen in alle Welt hinaus zu posaunen, wenn er, wie du es darstellst, die Morde mit kaltblütiger Berechnung plante? Das ergibt doch alles keinen Sinn.«
»Kann sein, dass du Recht hast, und wir uns täuschen. Aber was soll ich denn machen?«
Henning dachte nach. »Könntest du mir ein Gespräch mit Herrn Feldmann ermöglichen?«
»Wie stellst du dir das denn vor? Glaubst du etwa, nachdem wir die ganze Zeit über kein Wort aus ihm herausbekommen haben, wird er sich ausgerechnet dir anvertrauen? Außerdem«, fügte er hinzu, »soll er heute noch verlegt werden.«
»Dann wäre es umso wichtiger. Bitte! Mit etwas gutem Willen müsste es dir doch möglich sein, ein Zusammentreffen zu arrangieren!«
Peer lag schon auf der Zunge Hennings Wunsch abzulehnen. Doch dann besann er sich. Immerhin hatte er ihm viel zu verdanken.
Dem Engagement, mit dem sein Freund sich des Falls angenommen hatte, war er es schuldig, ihm diesen Gefallen zu erweisen. Also gut! », gab er sich geschlagen. Dann komm halt her. Ich warte auf dem Parkplatz des Polizeipräsidiums auf dich.«
Henning versprach sich zu beeilen. Als Peer, der die Zeit für ein kurzes Nickerchen genutzt hatte, den Wagen seines Freundes auf den Parkplatz einbiegen sah, stieg er aus. Sie begrüßten einander.
Auf dem Weg zum Vernehmungszimmer stellte Henning die Frage, die ihm schon die ganze Zeit über auf der Seele lag. »Sag mal, hast du eine Erklärung dafür, weshalb der Täter diesmal von seinem üblichen Schema abwich?«
»Wieso das denn«, erkundigte sich Peer.
»Na wegen des nicht in sein Muster passenden Aussehens seines letzten Opfers.«
»Was?«
Henning verdrehte die Augen. »Muss ich dich wirklich erst darauf aufmerksam machen, dass Vanessa Rothe eine Blondine war?«
Peer blieb stehen. »Wie kommst du denn darauf?«, wollte er wissen.
»Wie du dich vielleicht erinnerst, habe ich mir erst kürzlich eine der Vorstellungen angesehen. Und dabei ist mir aufgefallen, dass jene Julia von der hier die Rede ist, nicht dem vom Täter bevorzugten Personenkreis entsprach.«
»Mir scheint, du unterliegst einem Irrtum«, widersprach Peer. »Ich habe die Frau schließlich mit eigenen Augen gesehen und kann dir daher sagen, dass sie in jeder Beziehung dem Erscheinungsbild ihrer Vorgängerinnen glich. Wenn die Julia, die du gesehen hast eine Blondine war, kann das meiner Meinung nach nur daran liegen, dass es noch eine zweite Besetzung gab«, mutmaßte er. »Wenn du willst, kann ich mich ja mal danach erkundigen«, bot er an.
Henning war anzumerken, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Sollte er sich getäuscht haben, einem fatalen Irrtum unterlegen sein? Er hatte ja gleich geahnt, dass der Theatersommer am Kap in irgendeiner Form mit den Morden zu tun haben musste. Bisher galten die gestohlenen Lilien als einziges Bindeglied. Wäre die jetzt Ermordete in der von ihm besuchten Vorstellung als Julia in Erscheinung getreten, hätte er aufgrund ihres Aussehens möglicherweise einen ganz anderen Zusammenhang vermutet. Vielleicht wäre es ihm anhand dieses Umstands sogar gelungen ihren Tod zu verhindern. Doch darüber nachzudenken war müßig. Was geschehen war, ließ sich nicht mehr rückgängig machen.
Inzwischen waren sie im Inneren des Gebäudes angelangt. Vor der Tür des Vernehmungszimmers rief ihn Peers Stimme in die Gegenwart zurück. »Ich lasse Kajo Feldmann jetzt holen. Während du dich mit ihm unterhältst, werde ich euer Gespräch von nebenan aus mitverfolgen«, instruierte er seinen Freund. »Ich wünsche dir viel Glück.«
Im Vernehmungszimmer angekommen, sah sich Henning neugierig um. Der fensterlose Raum, in dem er sich befand, war spartanisch eingerichtet und verbreitete eine nüchterne Atmosphäre. Inmitten des in tristem Grau gehaltenen Zimmers stand ein von zwei Plastikstühlen umgebener Resopaltisch, über dem eine Neonleuchte hing. Ihr grelles Licht verlieh dem auf dem Boden verlegten Filzbelag wiederum einen schmutzig grauen Farbton. Hinter einer verspiegelten Wand vermutete Henning den von Peer erwähnten Beobachtungsraum. Als er mit seiner Musterung fertig war, öffnete sich die Tür. Gefolgt von einem Vollzugsbeamten betrat ein Hüne in Handschellen den
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