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Maienfrost

Maienfrost

Titel: Maienfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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er tatenlos mit ansehen, wie unter seiner Leitung ein weiteres Opfer zu beklagen war. Dabei stellte sich ihm anfangs das von Adam Wende, dem Fallanalytiker angefertigte Täterprofil als äußerst überzeugend und schlüssig dar. Davon ausgehend, dass der Täter sich für die zur Schaustellung seiner Opfer möglichst spektakuläre Orte aussuchte, galt sein besonderes Augenmerk neben weiteren Inselattraktionen vor allem den Seebrücken. Für jedermann problemlos zugänglich, standen sie auf seiner Prioritätenliste an oberster Stelle. Zu spät war ihm klar geworden, dass es falsch war, neben Hiddensee auch das Kap aufgrund seiner besonderen Lage und eingeschränkten Erreichbarkeit als infrage kommende Orte zu vernachlässigen. Der Umstand, dass das Kap außer für Fahrzeuge mit Sondergenehmigung von Putgarten aus nur zu Fuß oder mit einer der Arkonabahnen zugänglich war, ließ ihn sich in trügerischer Sicherheit wiegen. Wohl oder übel musste der Leiter der Soko sich eingestehen, dass es ein nicht wieder gutzumachender Fehler war, seine ans Kap beorderten Männer nach Ende der Vorstellung abzuziehen, um sie anderenorts einzusetzen. Hätte er auch nur einen Moment lang in Betracht gezogen, dass der Täter im Umfeld des Kaps zu suchen sei, wäre seine Entscheidung mit Sicherheit anders ausgefallen.
    Mit solchen Gedanken beschäftigt, betrat er an Kommissar Boströms Seite den der Polizei als provisorische Kommandozentrale zur Verfügung gestellten Raum. Seine Miene drückte kämpferische Entschlossenheit aus. Nicht umsonst hatten ihm seine Kollegen hinter vorgehaltener Hand den Namen Doktor Gnadenlos verpasst, der sich auf seine Verhörmethoden bezog. Der Umstand, dass er zudem unter enormem Erfolgsdruck stand, veranlasste ihn, zu einer seiner radikalsten Befragungstaktiken zu greifen. Während er seinen unerbittlichen Blick über Kajo Feldmanns Erscheinung gleiten ließ, versuchte er sich ein erstes Bild von ihm zu machen. Der junge Mann, der vor ihm auf einem weißen Plastikstuhl saß und seiner Meinung nach nicht älter als Mitte der zwanzig sein mochte, schien ein Hüne zu sein. Genau ließ sich das jedoch nicht beurteilen. Dazu hätte er schließlich stehen und nicht wie jetzt in sich zusammengesunken vor ihm kauern müssen. Sein, selbst für einen Künstler, ungewöhnlich langes dunkelbraunes Haar trug er nach hinten gekämmt, wo es ihm lose über seine breiten Schultern fiel. Zusammen mit einem am Kinn sitzenden Spitzbart erinnerte er Doktor Beyer an Dschingis-Khan. Unter seiner sommerlichen Bräune zeichnete sich eine krankhafte Blässe ab. Man merkte ihm an, dass er nervös war. Um seine Mundwinkel hatten sich zwei tiefe Falten gebildet und das Weiß seiner Augen war von zahlreichen roten Äderchen durchzogen. Um Nachsicht bittend waren sie auf Doktor Beyer gerichtet. Unbeeindruckt dessen, das Kajo Feldmann wie ein Häufchen Unglück vor ihm saß, konfrontierte ihn der Leiter der Soko erbarmungslos mit den gegen ihn sprechenden Indizien. Es schien ihn wenig zu beeindrucken, dass der Lebensgefährte des Opfers, der im Übrigen auch ihr zur Seite in der Rolle des Romeos auf der Bühne stand, seine Unschuld beteuerte. Mit seiner auf Konfrontation ausgerichteten Taktik stellte sich diesmal jedoch nicht der von ihm beabsichtigte Erfolg ein. Eingeschüchtert und verstört zog Kajo Feldmann es vor, zu schweigen.
    Als er sah, dass er so nicht weiterkam, ordnete Doktor Beyer an, den Tatverdächtigen nach Stralsund überführen zu lassen. In Anwesenheit von Kommissar Boström setzte er wenige Stunden später seine Befragung im Untersuchungsgefängnis der Hansestadt fort. In der Hoffnung, dem Delinquent ein Schuldgeständnis abzuringen, unterzog er ihn einem Verhör, welches die ganze Nacht in Anspruch nahm. Als Kajo Feldmann jedoch auch gegen Morgen noch beharrlich schwieg und er ihm die Tat nicht nachweisen konnte, entschloss sich der Leiter der Soko schweren Herzens, die Vernehmung vorerst abzubrechen.
    Bis zu einer von ihm angeordneten, um dreizehn Uhr stattfindenden Lagebesprechung genehmigte er sich und seinen Mitarbeitern eine Auszeit. Kommissar Boström wollte sie nutzen, um nach Hause zu fahren. Er sehnte sich nach einer Dusche und frischer Kleidung. Wenn er sich beeilte, wäre mit Sicherheit auch noch eine Mütze voll Schlaf für ihn drin. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Sich seine geröteten Augen reibend, ging er zu seinem auf dem Parkplatz stehenden Wagen.

18
    Auch der Mittwoch

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