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Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simenon
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fühlen in seiner Haut und aß, ohne von seinem Teller aufzuschauen.
    »Wer ist das?«
    »Man nennt ihn immer nur Jan. Seinen ganzen Namen kenne ich nicht. Er ist Steward an Bord der ›Ardena‹, einer schwedischen Yacht, die jedes Jahr den Winter über in Cannes liegt. Jan ist der Schiffssteward. Nicht wahr, Jan? Monsieur ist von der Polizei. Ich hab dir die Geschichte von William ja schon erzählt.«
    Der andere nickte, es sah aber nicht so aus, als hätte er verstanden.
    »Er sagt ja, aber in Wirklichkeit weiß er gar nicht mehr, was ich ihm erzählt habe«, sagte die Frau, ohne sich weiter um den Seemann zu kümmern. »Er kann sich nicht an die französische Sprache gewöhnen. Aber er ist ein guter Kerl. Er hat daheim Frau und Kinder. Zeig mal das Foto, Jan! Ja, ›Foto‹ …«
    Der Mann zog ein Foto aus der Matrosenjacke. Eine junge Frau war darauf vor einer Tür, und vor ihr im Gras saßen zwei Babys.
    »Zwillinge!« erläuterte die Barbesitzerin. »Jan kommt ab und zu zum Essen her, weil er sich hier wie zu Hause fühlt. Er hat den Hammel und Fische mitgebracht …«
    Maigret sah das Mädchen an, das nicht im geringsten daran dachte, die Brust zu bedecken.
    »Und … sie?«
    »Das ist Sylvie, Williams Patenkind.«
    »Sein Patenkind?«
    »Oh, nicht kirchlich natürlich. Er war nicht bei ihrer Taufe. Bist du überhaupt getauft, Sylvie?«
    »Aber sicher!«
    Sie blickte Maigret immer noch mißtrauisch an und aß weiter lustlos vor sich hin.
    »William hat sie sehr gemocht. Sie hat ihm erzählt, wenn sie Kummer hatte, und er hat sie getröstet.«
    Maigret saß auf einem Hocker, die Ellbogen auf den Knien, das Kinn in die Hand gestützt. Die dicke Frau mischte einen Salat mit Knoblauch, der ein wahres Meisterwerk zu sein schien.
    »Haben Sie schon was gegessen?«
    Er log.
    »Ja, ich …«
    »Sie müssen es nur sagen. Hier braucht sich keiner zu genieren. Nicht wahr, Jan? Schauen Sie ihn an! Er sagt ja und hat kein Wort verstanden. Ich mag sie sehr, die Jungen aus dem Norden!«
    Sie kostete den Salat und goß noch einen dünnen Strahl Olivenöl dazu, das mit Obstaroma versetzt war.
    Auf dem vermutlich nicht allzu sauberen Tisch lag kein Tischtuch.
    Direkt vom Zimmer aus führte eine Treppe wohl in einen Zwischenstock. In einer Ecke stand eine Nähmaschine.
    In den Hof schien die Sonne, so daß das Fensterloch ein helles Rechteck bildete, das einen fast blendete. Man hatte den Eindruck, als säße man in einem kühlen Halbdunkel.
    »Sie können ruhig Ihre Fragen stellen. Sylvie weiß Bescheid, und Jan …«
    »Haben Sie das Lokal schon lange?«
    »Fünfzehn Jahre vielleicht. Ich war mit einem Engländer verheiratet, er war einmal Akrobat gewesen, so daß unter unseren Gästen englische Seeleute waren, aber auch Artisten vom Varieté. Mein Mann ist vor neun Jahren bei einer Regatta ertrunken. Er fuhr für eine Baronin, die drei Boote hat. Sie müßten sie eigentlich kennen …«
    »Und seitdem?«
    »Nichts weiter. Ich führe das Lokal.«
    »Haben Sie viele Gäste?«
    »Ich lege keinen großen Wert auf viele Gäste. Es sind eher Freunde hier, wie Jan, wie William … Sie wissen, daß ich allein bin und daß ich gern Gesellschaft habe. Sie trinken eine Flasche, manchmal bringen sie auch einen Barsch mit oder ein Huhn, und ich mache ein Essen.«
    Sie füllte die Gläser und stellte fest, daß Maigret noch keines hatte.
    »Hol ein Glas für den Kommissar, Sylvie.«
    Sylvie erhob sich wortlos und ging in die Bar. Sie war unter dem Morgenmantel ganz nackt, an den bloßen Füßen trug sie Sandalen. Im Vorbeigehen stieß sie an Maigret, aber sie entschuldigte sich nicht. Die andere Frau nutzte den kurzen Augenblick, während sie draußen war, und flüsterte:
    »Sie müssen nicht darauf achten. Sie hat Will sehr geliebt. Es war ein Schock für sie.«
    »Schläft sie hier?«
    »Manchmal, manchmal auch nicht.«
    »Was macht sie?«
    Die Frau sah Maigret vorwurfsvoll an, als wollte sie sagen: ›Sie sind bei der Kriminalpolizei und stellen mir eine solche Frage?‹
    Sie fügte schnell hinzu:
    »Oh, sie ist ein ruhiges Mädchen, sie ist durchaus nicht lasterhaft.«
    »Wußte es William?«
    Wieder der vorwurfsvolle Blick. Hatte sie sich in Maigret getäuscht? Verstand er denn gar nichts? Mußte man ihm alles bis aufs i-Tüpfelchen genau erklären?
    Jan hatte aufgehört zu essen. Er wollte etwas sagen, aber sie hatte es bereits erraten.
    »Ja, du kannst gehen, Jan. Kommst du heute abend?«
    »Wenn die Leute ins Casino gehen.«
    Er

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