Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simenon
Vom Netzwerk:
fürchterlich, daß sich die Gefangenen versuchen umzubringen. Und es ist nicht lange her, da hab ich in der Zeitung gelesen, daß es sogar Verurteilte gibt, die achtzig Jahre alt sind … Es sind keine Zigaretten mehr da. Sylvie muß sie mitgenommen haben.«
    »Hat Sylvie Angst, dahin zu kommen?«
    »Sylvie? Ich weiß es nicht. Es ist mir auf der Rückfahrt im Bus eingefallen. Vor mir saß eine alte Frau, und da …«
    »Setzen Sie sich doch.«
    »Ja. Sie dürfen das nicht wichtig nehmen. Ich kann nichts dafür. Ich halte das nicht länger aus … Was haben Sie gesagt?«
    Angst stand in ihren Augen, als sie sich mit der Hand über die Stirn fuhr. Dabei fiel ihr eine rote Haarsträhne über die Wange.
    »Ich bin sehr traurig. Bitte, geben Sie mir noch was zu trinken!«
    »Wenn Sie mir alles gesagt haben, was Sie wissen.«
    »Aber ich weiß doch gar nichts! Was soll ich denn wissen? Erst war ich bei Sylvie – und dann war da noch der Polizist, der immer neben mir gestanden und zugehört hat. Am liebsten hätte ich nur geweint. Sylvie hat mich umarmt und leise gesagt, daß Joseph dran schuld ist.«
    »Und dann waren Sie bei Joseph.«
    »Ja. Hab ich doch schon gesagt. Er hat mich nach Antibes zu Brown geschickt, ich soll ihm sagen, daß, wenn …«
    Sie suchte nach Worten. Es sah so aus, als sei sie zwischendurch plötzlich geistesabwesend, wie es Betrunkene oft sind. Dann sah sie Maigret angstvoll an, als verspürte sie das Bedürfnis, sich an ihn zu klammern.
    »Ich weiß nicht mehr … Quälen Sie mich nicht. Ich bin nur eine arme Frau. Und ich habe immer mein Bestes getan, um allen Freude zu machen …«
    »Halt!«
    Maigret nahm ihr das Glas aus der Hand, nach dem sie gegriffen hatte, denn es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie völlig betrunken war und einschlief.
    »Hat Harry Brown Sie empfangen?«
    »Nein. Ja … Er hat gesagt, wenn ich ihm noch mal über den Weg laufe, läßt er mich einsperren.«
    Plötzlich sagte sie triumphierend:
    »Hossegor! Nein … Hossegor, das ist was andres. Das kommt in einem Roman vor … Hagenau! Das ist es!«
    Es war der Name des Gefängnisses, von dem sie zuvor gesprochen hatte.
    »Wie’s scheint, dürfen die da nicht mal miteinander reden. Glauben Sie, daß das stimmt?«
    Noch nie war sie Maigret so aufgelöst vorgekommen. Man mußte jeden Augenblick damit rechnen, daß sie sich wie ein Kleinkind aufführte.
    »Es ist klar, daß Sylvie, als Komplizin, nach …«
    Sie sprach immer schneller, und die Fieberröte stieg ihr ins Gesicht. »Trotzdem hab ich erst heute abend vieles verstanden. Die zwanzigtausend Francs: Jetzt weiß ich, daß … daß Harry Brown sie angeschleppt hat, der Sohn von William, um es abzukaufen …«
    »Um was abzukaufen?«
    »Alles!«
    Sie sah ihn siegessicher, fast herausfordernd an.
    »Ich bin nicht so dumm, wie man meint. Als der Sohn erfahren hat, daß ein Testament da ist …«
    »Verzeihung! Kennen Sie das Testament?«
    »Letzten Monat hat uns William hier davon erzählt. Wir waren zu viert.«
    »Das heißt er, Sie, Sylvie und Joseph.«
    »Ja. Wir haben ein Fläschchen getrunken, weil William Geburtstag hatte. Und wir haben über eine Menge Dinge geredet. Als er einiges getrunken hatte, erzählte er von Australien, von seiner Frau, von seinem Schwager …«
    »Und was hat er über sie gesagt?«
    »Daß sie, wenn er tot ist, alle eine aufs Dach kriegen. Er hat das Testament raus geholt und uns einen Teil draus vorgelesen. Nicht alles. Den Namen der anderen zwei Frauen wollte er nicht vorlesen. Er hat gesagt, daß er es irgendwann bei einem Notar hinterlegen will.«
    »Das war vor einem Monat. Hat Joseph Harry Brown da schon gekannt?«
    »Das weiß man bei dem nie. In seinem Beruf kennt er ’ne Menge Leute.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß er Browns Sohn vielleicht davon erzählt hat?«
    »Das nicht. Ich will überhaupt nichts sagen. Aber man kann sich schließlich nicht dran hindern zu denken. Und es ist so, daß die reichen Leute auch nicht besser sind als andere. Nehmen Sie also ruhig an, daß Joseph zu ihm hingegangen ist und ihm alles erzählt hat. Williams Sohn sagt ganz harmlos, daß er das Testament gern haben möchte. Aber da William ja ein neues schreiben konnte, war’s besser, wenn William auch gleich tot war …«
    Sie hatte sich zu trinken eingeschenkt. Maigret hatte nicht aufgepaßt. Es war zu spät, um sie daran zu hindern, das Glas in einem Zug zu leeren. Der Kommissar bekam eine fürchterliche Alkoholfahne ins Gesicht, als sie

Weitere Kostenlose Bücher