Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange
erwähnten Grund. Ein Vertrag hätte uns auferlegt, ein Inventar unseres beiderseitigen Besitzes zu erstellen.«
»Die Gütergemeinschaft blieb also fiktiv?«
»Wir behielten jeder die Verfügung über unser Vermögen.«
War das alles nicht ziemlich einleuchtend?
»War Ihre Frau reich?«
»Sie ist reich.«
»Ebenso reich wie Sie oder reicher?«
»Ungefähr gleich.«
»Befindet sich ihr gesamtes Vermögen in Frankreich?«
»Nur zum Teil. Sie hat von ihrem Vater einen Anteil an einer Käsefabrik in Holland geerbt.«
»In welcher Form hat sie ihren sonstigen Besitz angelegt?«
»Hauptsächlich in Gold.«
»Schon bevor sie Sie kennenlernte?«
»Ich merke, worauf Sie hinauswollen. Dennoch werde ich Ihnen wahrheitsgemäß antworten. Ich selbst habe ihr geraten, ihre Wertpapiere zu verkaufen und Gold zu kaufen.«
»Dieses Gold befand sich zusammen mit dem Ihnen gehörenden in Ihrem Geldschrank?«
»Es befand sich darin.«
»Bis wann?«
»Bis Dienstag. Am frühen Nachmittag, als ihre Koffer fast fertig gepackt waren, habe ich ihr ausgehändigt, was ihr gehörte.«
»Diese Summe war dann also zum Zeitpunkt ihrer Abreise in einem der beiden Handkoffer oder in dem großen Koffer?«
»Vermutlich.«
»Sie hat vor dem Abendessen das Haus nicht verlassen?«
»Ich habe sie nicht aus dem Haus gehen hören.«
»Demnach ist sie Ihres Wissens nicht weggegangen?«
Er nickte.
»Hat sie telefoniert?«
»Der einzige Telefonapparat im Haus steht im Arbeitszimmer, und sie hat ihn nicht benutzt.«
»Wie kann ich wissen, Monsieur Serre, ob das Geld, das ich im Geldschrank gefunden habe, nur Ihr Geld ist und nicht das Ihre und das Ihrer Frau?«
Gelassen, mit dem gleichbleibenden Ausdruck von Überdruss oder Geringschätzung im Gesicht, holte der Zahnarzt ein grünes Notizbuch aus der Tasche und reichte es dem Kommissar. Die Seiten waren mit winzigen Ziffern vollgeschrieben. Über den Zahlen links stand der Buchstabe W, über der rechten Kolonne ein M.
»Was bedeutet das ›W‹?«
»›Wir.‹ Das heißt, meine Mutter und ich. Wir haben seit jeher eine gemeinsame Kasse gehabt, ohne einen Unterschied zu machen zwischen dem, was mir gehört, und dem, was ihr gehört.«
»Das ›M‹ hier steht dann wohl für Maria?«
»Ganz recht.«
»Ich sehe eine bestimmte Zahl, die in regelmäßigen Abständen wiederkehrt.«
»Ihr Anteil an den Haushaltskosten.«
»Sie hat Ihnen allmonatlich ein Kostgeld gezahlt?«
»Wenn Sie es so nennen wollen. In Wirklichkeit hat sie mir kein Geld gegeben, denn das lag ja im Geldschrank, sondern ihr Konto wurde mit dem betreffenden Betrag belastet.«
Maigret blätterte einige Minuten lang wortlos in dem Notizbuch, dann stand er auf und ging in das angrenzende Büro hinüber, wo die Inspektoren wie Schuljungen sofort ungeheure Geschäftigkeit an den Tag legten.
Er gab mit leiser Stimme Janvier Instruktionen, erwog, ob er sich Bier heraufkommen lassen sollte, und trank fast mechanisch das halbleere Glas aus, das auf Vachers Schreibtisch stand.
Als er zurückkam, hatte Serre, ohne sich von seinem Platz zu rühren, gerade eine seiner langen Zigarren angesteckt und murmelte eine Spur anmaßend:
»Sie erlauben doch?«
Maigret überlegte kurz, ob er nicht nein sagen sollte, zuckte dann aber nur die Achseln.
»Haben Sie über diese zweite Fensterscheibe nachgedacht, Monsieur Serre?«
»Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht.«
»Das war falsch. Es wäre weit besser, wenn Sie eine einleuchtende Erklärung fänden.«
»Ich suche keine.«
»Sie bleiben bei Ihrer Behauptung, Sie hätten nur einmal die Fensterscheibe in Ihrem Arbeitszimmer ersetzt?«
»Am Tag nach dem Gewitter.«
»Möchten Sie, dass wir uns vom Wetterdienst bestätigen lassen, dass es in Neuilly in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch kein Gewitter gegeben hat?«
»Das ist überflüssig. Es sei denn, es mache Ihnen besonderen Spaß. Ich meine das Gewitter letzte Woche.«
»Sie sind am nächsten Tag in das Eisenwarengeschäft in der Rue de Longchamp gegangen und haben Fensterglas und Kitt gekauft.«
»Das habe ich Ihnen bereits gesagt.«
»Sie versichern, dass Sie seither diesen Laden nicht wieder betreten haben?«
Er schob ihm das Foto der Geschäftsbuchseite hin.
»Warum hat man sich Ihrer Meinung nach die Mühe gemacht, diesen Kauf von Scheibe und Kitt ein zweites Mal in das Buch einzutragen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Aus welchem Grund erklärt der Händler, Sie seien am Mittwochmorgen gegen acht in sein
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