Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange
Geschäft gekommen?«
»Das ist seine Sache.«
»Wann haben Sie Ihren Wagen zuletzt benutzt?«
»Am vergangenen Sonntag.«
»Wo sind Sie hingefahren?«
»Ich bin mit meiner Mutter zwei oder drei Stunden spazieren gefahren, wie oft am Sonntag.«
»Wohin?«
»Zum Wald von Fontainebleau.«
»Hat Ihre Frau Sie begleitet?«
»Nein. Sie fühlte sich nicht wohl.«
»War die Trennung schon beschlossen?«
»Es ist nie von Trennung die Rede gewesen. Sie war erschöpft und deprimiert. Sie verstand sich nicht immer mit meiner Mutter. In beiderseitigem Einverständnis haben wir beschlossen, dass sie einige Wochen oder Monate in ihrer Heimat verbringen sollte.«
»Sie hat trotzdem ihr Geld mitgenommen?«
»Ja. Weil immerhin die Möglichkeit bestand, dass sie nicht mehr zurückkehrte. Wir sind keine Kinder mehr. Wir sind fähig, das Leben gelassen zu betrachten. Es ist eine Art Experiment, das wir da machen.«
»Sagen Sie, Monsieur Serre, bei der Reise nach Amsterdam muss man zweimal über die Grenze, nicht wahr? Die französischen Zollbeamten sind bei der Ausreise ziemlich strikt in Fragen der Kapitalausfuhr. Befürchtete Ihre Frau nicht, dass ihr Gold entdeckt und beschlagnahmt wurde?«
»Muss ich das beantworten?«
»Ich glaube, es liegt in Ihrem eigenen Interesse.«
»Selbst wenn ich ein Verfahren riskiere?«
»Es wird wahrscheinlich weniger schlimm sein als eine Anklage wegen Mordes.«
»Sehr gut. Einer der Handkoffer meiner Frau war mit einem doppelten Boden ausgestattet.«
»Eigens für diese Reise?«
»Nein.«
»Hatte sie schon Gelegenheit gehabt, ihn zu benutzen?«
»Mehrmals.«
»Um die Grenze zu überschreiten?«
»Die belgische Grenze und einmal auch die Grenze zur Schweiz. Sie wissen zweifellos, dass es bis in die jüngste Zeit leicht und weniger kostspielig war, sich Gold in Belgien und besonders in der Schweiz zu beschaffen.«
»Sie geben Ihre Beihilfe an diesen Kapitaltransfers zu?«
»Ich gebe sie zu.«
Maigret erhob sich und betrat erneut das Büro der Inspektoren.
»Kannst du einen Augenblick herüberkommen, Janvier?«
Dann, zu Serre:
»Mein Inspektor wird diesen Teil unserer Unterhaltung zu Protokoll nehmen. Würden Sie ihm bitte genau wiederholen, was Sie mir eben mitgeteilt haben. Du lässt ihn seine Aussage unterschreiben, Janvier!«
Er ging hinaus und ließ sich von Vacher das Büro zeigen, wo man den Übersetzer hingesetzt hatte. Es war ein bebrilltes Männchen, das seine Übersetzung direkt in die Maschine tippte und manchmal innehielt, um in einem Wörterbuch etwas nachzuschlagen.
Es waren mindestens vierzig Briefe, von denen die meisten mehrere Blätter umfassten.
»Womit haben Sie angefangen?«
»Ganz vorn. Ich bin beim dritten Brief. Alle drei sind vor etwas mehr als zweieinhalb Jahren geschrieben worden. Im ersten berichtet sie ihrer Freundin, dass sie bald heiraten werde, dass ihr künftiger Gatte ein vornehmer Mann von gutem Aussehen sei, der dem französischen Großbürgertum angehöre, und dass seine Mutter irgendeinem Gemälde im Louvre – ich weiß nicht mehr, welchem – gliche. Ich kann Ihnen den Namen des Malers sagen.«
Er blätterte in seinen Papieren.
»Clouet. In diesen Briefen ist immerzu von Malerei die Rede. Wenn sie nicht übers Wetter schreibt, dann über Monet oder Renoir.«
»Ich möchte jetzt lieber, dass Sie sich die letzten Briefe vornehmen!«
»Wie Sie wollen. Wissen Sie, dass ich, selbst wenn ich die ganze Nacht daran sitze, morgen früh noch nicht fertig bin?«
»Aus diesem Grund bitte ich Sie ja auch, von hinten anzufangen. Von wann ist der letzte Brief?«
»Vom letzten Sonntag.«
»Können Sie ihn mir rasch vorlesen?«
»Ich kann Ihnen einen Eindruck vermitteln. Warten Sie!
Geliebte Gertrude,
Paris ist noch nie so strahlend gewesen wie heute Morgen, und beinahe hätte ich G … und seine Mutter in den Wald von Fontainebleau begleitet, der sich mit allen leuchtenden Farben eines Corot und eines Courbet geschmückt haben muss …«
»Folgt noch viel über diese leuchtenden Farben?«
»Soll ich das überspringen?«
»Lassen Sie es weg.«
Der Übersetzer überflog den Brief mit den Augen und bewegte die Lippen wie in der Kirche.
»Hier haben wir’s:
Ich bin neugierig, welchen Eindruck das Wiedersehen mit unserem Holland und seinen Pastelltönen auf mich machen wird, und jetzt, da der Augenblick heranrückt, fühle ich mich verzagt.
Nach all dem, was ich Dir über mein Leben hier, über G … und meine
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