Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange

Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange

Titel: Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
hatte.
    Gegen zwei Uhr war Maigret von seinem Büro aus angerufen worden. Man hatte ihm mitgeteilt, dass gerade ein ziemlich dicker Brief per Luftpost aus Holland eingetroffen war. Er ließ ihn öffnen. Es waren Marias auf Holländisch geschriebene Briefe.
    »Lasst einen Übersetzer kommen und setzt ihn an die Arbeit.«
    »Hier?«
    »Ja. Er soll warten, bis ich wiederkomme.«
    Das Verhalten Guillaume Serres war unverändert geblieben. Er folgte ihnen, ließ sich nichts von dem, was sie taten, keine ihrer Bewegungen entgehen, doch nicht einen Augenblick lang sah er bestürzt aus.
    Er hatte eine eigentümliche Art, Maigret zu betrachten, aus der deutlich sprach, dass für ihn die Übrigen nicht zählten. Es war tatsächlich ein Zweikampf. Die Inspektoren waren nur Komparsen. Selbst die Kriminalpolizei existierte nicht. Der Kampf war eher persönlich. Und die Augen des Zahnarztes hatten einen Ausdruck, von dem man nicht wusste, ob er vorwurfsvoll oder verächtlich war.
    Auf alle Fälle ließ er sich durch dieses Unternehmen großen Stils nicht beeindrucken. Er protestierte nicht mehr, nahm dieses Eindringen in sein Domizil und sein Privatleben mit hochmütiger Resignation hin, ohne das leiseste Anzeichen von Angst erkennen zu lassen.
    War der Mann ein Waschlappen? Oder besonders hartgesotten? Beides war möglich. Sein Körper war der eines Ringers, seine Haltung die eines selbstbewussten Mannes, und trotzdem war der Ausspruch Marias, die ihn mit einem großen Kind verglich, nicht von der Hand zu weisen. Seine Haut war blass, ungesund. In einer Schublade hatte man einen Haufen zu mehreren Stapeln zusammengehefteter Rezepte gefunden, einige schon zwanzig Jahre alt. Die Krankheitsgeschichte der Familie musste sich anhand dieser Rezepte, von denen manche schon vergilbt waren, rekonstruieren lassen können. Im Badezimmer in der ersten Etage stand ein weißgestrichener kleiner Schrank mit Medizinfläschchen und neuen und alten Pillenschachteln.
    Hier wurde nichts weggeworfen, nicht einmal die alten Besen, die in einer Ecke des Speichers auf einem Haufen neben schiefgetretenen Schuhen lagen, deren Leder hart und brüchig geworden war und die nie wieder getragen wurden.
    Jedes Mal, wenn man ein Zimmer verließ, um sich an ein anderes heranzuwagen, warf Janvier seinem Chef einen Blick zu, der besagte:
    ›Noch immer nichts!‹
    Denn Janvier rechnete immer noch mit einer Entdeckung. Erwartete Maigret ganz im Gegenteil, dass nichts gefunden wurde? Er war nicht verwundert darüber, sah seinen Leuten zu, rauchte mit gemächlichen Zügen seine Pfeife und vergaß manchmal eine volle Viertelstunde lang, dem Zahnarzt einen Blick zuzuwerfen. Man erfuhr seinen Entschluss auf indirekte Weise, und das verlieh ihm einen noch verblüffenderen Effekt.
    Alle stiegen vom Speicher herunter, wo Guillaume Serre die beiden Dachluken wieder geschlossen hatte. Die Mutter war aus ihrem Schlafzimmer getreten, um sie zu verabschieden. Unschlüssig standen sie auf dem Treppenabsatz herum.
    Da wandte sich Maigret zu Serre und sagte, als ob es das Natürlichste von der Welt sei:
    »Würden Sie sich eine Krawatte umbinden und Schuhe anziehen?«
    Seit dem Morgen lief der Mann noch immer in Pantoffeln herum.
    Serre hatte verstanden, hatte ihn angesehen, ohne sich seine Überraschung anmerken zu lassen. Seine Mutter hatte den Mund aufgemacht, um etwas zu sagen, um zu protestieren oder Erklärungen zu verlangen, und Guillaume hatte ihren Arm ergriffen und sie in sein Schlafzimmer gezogen.
    Janvier hatte ganz leise gefragt:
    »Nehmen Sie ihn fest?«
    Maigret hatte nicht darauf geantwortet. Er wusste es selber nicht. Wenn er ehrlich war, hatte er diese Entscheidung gerade eben erst hier auf dem Treppenabsatz getroffen.
     
    »Kommen Sie herein, Monsieur Serre. Wollen Sie bitte Platz nehmen?«
    Die Uhr auf dem Kamin zeigte vier Uhr fünfundzwanzig. Es war Samstag, wie Maigret erst wieder eingefallen war, als sie im Wagen die Stadt durchquert hatten.
    Der Kommissar schloss die Bürotür. Die Fenster standen offen, und die Papiere auf dem Schreibtisch raschelten unter den Gegenständen, die sie am Davonfliegen hinderten.
    »Ich habe Sie gebeten, sich zu setzen!«
    Er selbst trat in die Garderobennische, um seinen Hut und sein Jackett aufzuhängen und sich die Hände in dem Emaillebecken zu waschen.
    Zehn Minuten richtete er kein Wort an den Zahnarzt, während er damit beschäftigt war, Akten zu unterzeichnen. Er klingelte nach Joseph, übergab ihm den Aktenstoß und

Weitere Kostenlose Bücher