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Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange

Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange

Titel: Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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regelrecht schnitten. Ich dachte, den sehe ich nicht wieder. Dann plötzlich, viel später –«
    »Wie viel Zeit war etwa vergangen?«
    »Ich weiß nicht. Jedenfalls eine Reihe von Jahren. Der Club war schon vom Faubourg Saint-Honoré in die Avenue Hoche übergesiedelt. Zehn Jahre? Zwölf Jahre? Fest steht auf alle Fälle, dass er wieder zu uns gekommen ist. Anfangs war er noch kleinlaut, denn er dachte wohl, wir seien ihm böse, weil er uns im Stich gelassen hatte.«
    »Und dann?«
    »Nichts weiter. Er hat das Verpasste doppelt aufgeholt. Moment … Er war lange mit einer kleinen Sängerin mit großem Mund liiert. Sie hieß bei uns nur … Ein Spitzname, den wir ihr gegeben hatten … Irgendetwas Unanständiges … Er fällt mir jetzt nicht ein.«
    »Trank er?«
    »Nicht mehr als die anderen. Zwei oder drei Flaschen Champagner unter Umständen …«
    »Was ist aus ihm geworden?«
    »Das, was am Ende aus uns allen wird. Er ist gestorben.«
    »Ist das alles?«
    »Nach der Fortsetzung, mein Sohn, muss man sich da oben erkundigen. Das ist Sache von Sankt Petrus und nicht meine. Welche Missetat hat sein Sohn denn begangen?«
    »Ich weiß noch nichts darüber. Seine Frau ist verschwunden.«
    »Ist er ein Spaßvogel?«
    »Nein. Ganz im Gegenteil.«
    »Juliette! Bringen Sie uns etwas!«
    Maigret musste noch eine Viertelstunde bei dem Greis bleiben, der eigensinnig unter seinen Stichen nach einer Skizze der Sängerin suchte.
    »Ich kann nicht beschwören, dass sie da gut getroffen ist. Ein Bursche mit unglaublich viel Talent hat sie gezeichnet, als wir eines Abends mit einer ganzen Bande in sein Atelier kamen.«
    Das Mädchen war nackt und ging auf den Händen; von seinem Gesicht war nichts zu erkennen, weil seine Haare bis auf den Boden herabhingen.
    »Kommen Sie mal wieder vorbei, mein kleiner Maigret. Wenn Sie Zeit gehabt hätten, mein bescheidenes Mahl mit mir zu teilen …«
    Eine Flasche Wein stand zur Temperierung in einer Zimmerecke, und in der Wohnung duftete es angenehm nach Essensvorbereitungen.
     
    Die Polizei in Rouen hatte den Traurigen Alfred ebenso wenig ausfindig machen können wie die von Le Havre. Wahrscheinlich war der Geldschrankspezialist längst nicht mehr in der Stadt. War er noch weiter in die Nähe von Paris gekommen? Hatte er Ernestines Anzeige gelesen?
    Maigret hatte einen Inspektor mit einem Sonderauftrag entlang der Seine-Quais betraut.
    »Wo soll ich anfangen?«
    »So weit stromaufwärts, wie du kannst.«
    Er hatte seine Frau angerufen und sie wissen lassen, dass er nicht zum Abendessen käme.
    »Glaubst du, ich bekomme dich in dieser Nacht noch zu Gesicht?«
    »Möglicherweise nicht.«
    Er hegte keine allzu große Hoffnung. Auch er wusste, dass er eine große Verantwortung auf sich geladen hatte, als er die Dinge gewaltsam ins Rollen brachte und Guillaume Serre zum Quai des Orfèvres schaffte, bevor er den geringsten Beweis hatte.
    Jetzt war es zu spät. Er konnte ihn nicht mehr laufenlassen.
    Er fühlte sich bedrückt und schlecht gelaunt. Er setzte sich auf die Terrasse der ›Brasserie Dauphine‹, aber nachdem er die Speisekarte von vorn bis hinten studiert hatte, bestellte er sich nur ein belegtes Brot und ein Glas Bier, denn er war nicht hungrig.
    Langsamen Schrittes stieg er dann wieder die Treppe zu den Diensträumen der Kriminalpolizei hinauf. Man hatte schon Licht gemacht, obwohl es draußen noch hell war. Als sein Kopf die Höhe der ersten Etage erreichte, warf er mechanisch einen Blick in das Wartezimmer, und das Erste, was er sah, war ein grüner Hut, der ihm allmählich auf die Nerven ging.
    Ernestine war da und saß Madame Serre genau gegenüber, die Hände in den Schoß gelegt wie die alte Dame, mit derselben geduldigen und niedergeschlagenen Miene. Sie erblickte ihn sofort, ließ absichtlich ihren Blick starr werden und schüttelte leicht den Kopf.
    Er interpretierte das Kopfschütteln als Bitte, sie nicht zu erkennen.
    Unmittelbar darauf begann sie mit der alten Dame eine Unterhaltung, als hätten die beiden vor einer Weile Bekanntschaft geschlossen.
    Achselzuckend stieß er die Tür zum Dienstzimmer der Inspektoren auf. Der Stenograph war in Aktion, einen Schreibblock auf den Knien. Man hörte Janviers erschöpfte Stimme, untermalt von den Schritten des Inspektors, der nebenan auf und ab ging.
    »Sie behaupten, Monsieur Serre, dass Ihre Frau ein Taxi an der Ecke des Boulevard Richard-Wallace holen gegangen ist. Wie lange ist sie weggeblieben?«
    Bevor er die Ablösung

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