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Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Titel: Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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haben?«
    »Sie hatte sich noch nicht ausgezogen …«
    »Arbeiten Sie nachts?«
    »Nein … Ich bin nur deshalb noch mal weggegangen, um uns Geld zu beschaffen … Wir brauchten unbedingt welches …«
    Während sie so gingen, sahen sie beide unwillkürlich zu den offenen Fenstern hinauf. An dem einen oder anderen standen Leute und sahen zu ihnen herunter. Sie fragten sich wohl, warum die beiden Männer im Hof herumspazierten.
    »Wo wollten Sie sich Geld beschaffen?«
    »Bei Freunden. Überall ein bisschen …«
    »Haben Sie welches aufgetrieben?«
    »Nein …«
    »Hat Sie der eine oder andere Ihrer Freunde gesehen?«
    »Im ›Vieux-Pressoir‹ schon. Ich hatte noch etwa dreißig Franc in der Tasche … Ich bin in verschiedene Lokale gegangen, wo normalerweise Freunde von mir sind …«
    »Zu Fuß?«
    »Nein, ich war mit dem Auto unterwegs … Ich habe es dann an der Ecke Rue François-1 er und Rue Marbeuf stehenlassen, als der Tank leer war …«
    »Wie ging es weiter?«
    »Ich bin zu Fuß losgezogen …«
    Der junge Mann war völlig erschöpft. Für Maigret bestand kein Zweifel mehr, dass er es mit einem höchst sensiblen und verletzlichen Menschen zu tun hatte.
    »Seit wann haben Sie nichts mehr gegessen?«
    »Seit gestern … Zwei hartgekochte Eier in einem Bistro …«
    »Kommen Sie …«
    »Ich habe keinen Hunger … Wenn Sie mich zum Mittagessen mitnehmen wollen, dann sage ich Ihnen gleich …«
    Maigret nahm keine Notiz von seinen Einwänden, bog in den Boulevard de Grenelle ein und ging in ein kleines Restaurant, wo mehrere Tische frei waren.
    Er gab sogleich seine Bestellung auf:
    »Zweimal Steak und Pommes frites …«
    Er hatte auch keinen Hunger, aber der junge Mann musste etwas zu sich nehmen.
    »Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Ricain … François Ricain … Manche nennen mich auch Francis … Meine Frau …«
    »Hören Sie mal, Ricain … Ich muss unbedingt ein paar Telefongespräche führen …«
    »Wollen Sie Ihre Kollegen anrufen?«
    »Ich muss vor allem den Polizeikommissar des Reviers informieren und ebenso die Staatsanwaltschaft … Versprechen Sie mir, ruhig hier sitzen zu bleiben? …«
    »Wohin sollte ich denn gehen?«, entgegnete Ricain verbittert. »Sie werden mich so oder so verhaften und ins Gefängnis stecken … Das halte ich bestimmt nicht aus … Lieber würde ich …«
    Er beendete den Satz nicht, aber Maigret wusste, was er sagen wollte.
    »Garçon, eine halbe Flasche roten Bordeaux, bitte …«
    Maigret ging zur Kasse, um sich Telefonmünzen zu holen. Wie erwartet war der Kommissar des Reviers beim Mittagessen.
    »Soll ich ihn gleich benachrichtigen?«
    »Wann erwarten Sie ihn zurück?«
    »Gegen zwei …«
    »Sagen Sie ihm, ich erwarte ihn um Viertel nach zwei vor dem Eckhaus an der Kreuzung Rue Saint-Charles und Boulevard de Grenelle, und zwar am Eingang Rue Saint-Charles.«
    Bei der Staatsanwaltschaft erreichte er nur einen kleinen Beamten.
    »In der Rue Saint-Charles ist mutmaßlich ein Verbrechen verübt worden … Schreiben Sie bitte die Adresse auf … Sobald einer der Stellvertreter des Staatsanwaltes zurückkommt, richten Sie ihm bitte aus, dass ich um Viertel nach zwei am Eingangstor sein werde …«
    Schließlich rief er bei der Kriminalpolizei an, wo sich Lapointe meldete.
    »Sei so gut und fahre in einer Stunde in die Rue Saint-Charles … Gib dem Erkennungsdienst Bescheid … Sie sollen gegen zwei Uhr ebenfalls dorthin kommen und ein Desinfektionsmittel mitbringen, denn in dem Raum herrscht ein solcher Verwesungsgeruch, dass man es darin nicht aushält … Verständige auch den Gerichtsarzt … Ich weiß nicht, wer heute Dienst hat … Bis später …«
    Er setzte sich wieder zu Ricain, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte und mit entgeisterter Miene um sich blickte, als spielten sich die alltäglichen Vorgänge auf einem fremden Planeten ab.
    Es war ein einfaches Restaurant. Die meisten Kunden arbeiteten in diesem Stadtviertel und saßen allein an einem Tischchen, wo sie zeitunglesend ihr Mittagessen einnahmen. Der Kellner brachte ihnen die Steaks und eine Platte mit knusprigen Pommes frites.
    »Was passiert jetzt?«, fragte der junge Mann und griff mechanisch nach seiner Gabel. »Haben Sie alle alarmiert? Geht nun der große Zirkus los?«
    »Nicht vor zwei Uhr … Bis dahin haben wir noch reichlich Zeit, um uns zu unterhalten …«
    »Ich weiß überhaupt nichts …«
    »Das denken alle …«
    Er durfte ihn nicht zu hart anfassen. Nach einer Weile –

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