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Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Titel: Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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sah ich die Frau, die mich anstarrte …
    Ich frage mich nur, warum sie nicht sofort Alarm geschlagen hat … Ich bin vom fahrenden Bus abgesprungen … Zum Glück kamen wir gerade durch eine sehr belebte Straße mit engen, verschachtelten Gassen ringsherum … Ich bin losgerannt … Und dann bin ich einfach immer weitergelaufen …«
    »Garçon, zwei mille-feuilles, bitte …«
    Es war halb zwei. In fünfundvierzig Minuten würde der routinemäßige Auftritt des Gerichts beginnen, und die Amtspersonen würden das Einzimmerappartement in der Rue Saint-Charles in Beschlag nehmen, während Polizisten die Schaulustigen fernzuhalten hätten.
    »Was werden Sie mit mir machen?«
    Maigret antwortete nicht gleich, aus dem einfachen Grund, weil er noch zu keinem Entschluss gekommen war.
    »Werden Sie mich verhaften? … Ich sehe ja ein, dass Ihnen nichts anderes übrigbleibt, und doch schwöre ich Ihnen noch einmal …«
    »Essen Sie … Möchten Sie Kaffee?«
    »Warum tun Sie das?«
    »Was ist denn daran so außergewöhnlich?«
    »Sie verköstigen mich … Sie drängen mich nicht, ganz im Gegenteil, Sie hören mir geduldig zu … Nennt man das bei Ihnen nicht: jemanden zum Singen bringen?«
    Maigret lächelte.
    »Das passt nicht so recht, nein … Ich versuche nur, ein bisschen Ordnung in die Ereignisse zu bringen …«
    »Und mir auf den Zahn zu fühlen …«
    »Ich habe Sie nicht allzu scharf ins Verhör genommen …«
    »Im Augenblick geht es mir etwas besser …«
    Völlig geistesabwesend hatte er sein Dessert verzehrt, und nun zündete er sich eine Zigarette an. Sein Gesicht hatte wieder etwas Farbe bekommen.
    »Nur … Ich fühle mich nicht in der Lage, dorthin zurückzukehren … der Anblick … der Geruch …«
    »Und ich?«
    »Für Sie hat es nicht dieselbe Bedeutung, es ist schließlich Ihr Beruf … Und es ist auch nicht Ihre Frau …«
    In Ricains Reden lösten Uneinsichtigkeit und gesunder Menschenverstand, blinde Panik und vernünftige Überlegungen einander ohne jeden Übergang ab.
    »Sie sind schon ein komischer Kauz …«
    »Weil ich so ehrlich bin?«
    »Also, ich lege auch keinen besonderen Wert darauf, dass Sie mir im Weg stehen, wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt, und noch weniger möchte ich, dass die Journalisten mit ihren Fragen über Sie herfallen …
    Sobald meine Inspektoren in der Rue Saint-Charles eintreffen – wahrscheinlich erwarten sie uns schon –, lasse ich Sie zum Quai des Orfèvres bringen …«
    »Und stecken mich dort in eine Zelle?«
    »Nein, Sie setzen sich brav in mein Büro und warten, bis ich zurück bin …«
    »Und dann? Was passiert dann?«
    »Das kommt darauf an …«
    »Was hoffen Sie denn herauszufinden?«
    »Das weiß ich noch nicht … Ich weiß sogar weniger darüber als Sie, denn ich habe mir die Leiche nicht aus der Nähe angesehen und auch die Waffe nicht zu Gesicht bekommen …«
    Das Klirren von Gläsern, das Klappern von Gabeln, Stimmengemurmel, die Schritte des herbeieilenden und sich wieder entfernenden Kellners, das schwache Klingelzeichen der Registrierkasse bildeten die Geräuschkulisse, die ihr Gespräch untermalte, ohne dass sie sie überhaupt wahrnahmen.
    Die Sonne fiel auf den gegenüberliegenden Gehsteig, die Passanten warfen kurze und breite Schatten. Autos, Taxis und Busse fuhren vorüber, Autotüren wurden zugeschlagen.
    Als die beiden Männer das Restaurant verließen, waren sie zunächst unschlüssig. In ihrer Ecke im Bistro waren sie eine ganze Weile von den anderen Menschen, vom Strom des Lebens, dem Straßenlärm, den Stimmen und vertrauten Bildern abgeschnitten gewesen.
    »Glauben Sie mir?«
    Ricain wagte nicht, Maigret in die Augen zu sehen.
    »Es ist noch nicht an der Zeit, jemandem Glauben zu schenken oder nicht. Hab ich es nicht gesagt? Meine Leute sind schon da …«
    In der Rue Saint-Charles standen eines der schwarzen Polizeiautos und der Kombiwagen des Erkennungsdienstes. Unter den Männern, die auf dem Gehsteig diskutierten, erkannte er Lapointe. Auch der dicke Torrence war schon da, und Maigret übergab ihm seinen Begleiter.
    »Bring ihn zum Quai. Führe ihn in mein Büro, und bleibe bei ihm. Wundere dich nicht, wenn er einschläft. Er hat schon zwei Nächte lang nicht mehr geschlafen.«
     
    Kurz nach zwei Uhr traf ein Kombiwagen des Amts für öffentliche Hygiene ein, denn Moers und seine Leute verfügten nicht über die nötige Ausrüstung.
    Grüppchen von Männern standen im Hof und warteten vor den Eingangstüren zu den

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