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Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Titel: Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Flasche nicht wegzuräumen.
    »Noch einen …«
    Dann wandte er sich endlich Maigret zu. Schon bevor er das Lokal betreten hatte, wusste er genau, wo der Kommissar saß. Sicher hatte er von draußen oder durch das Fenster eines Nachbarhauses jede seiner Bewegungen verfolgt.
    Er sah ihn zerknirscht an, wie um ihm zu sagen, dass er nicht anders konnte, dass er sogleich zu ihm käme. Mit immer noch zittrigen Händen zählte er die Münzen ab, die er auf die Theke legte.
    Schließlich trat er an Maigrets Tisch, rückte sich einen Stuhl zurecht und ließ sich darauf fallen.
    »Haben Sie Zigaretten?«
    »Nein, ich rauche nur …«
    »… Pfeife, ja, ich weiß. Ich habe keine Zigaretten mehr und auch kein Geld, um welche zu kaufen.«
    »Garçon! Ein Päckchen … Was rauchen Sie?«
    »Gauloises.«
    »Ein Päckchen Gauloises und einen Rum.«
    »Keinen Rum mehr. Davon wird mir übel …«
    »Ein Bier?«
    »Ich weiß nicht recht. Ich habe heute Morgen nichts gegessen und auch nicht …«
    »Ein Sandwich?«
    Auf der Theke standen mehrere Teller mit Sandwiches.
    »Später. Mir ist die Kehle wie zugeschnürt. Sie können das nicht verstehen …«
    Er war ziemlich gut gekleidet: graue Flanellhose, ein sportliches kariertes Jackett, dazu trug er statt Hemd und Krawatte einen Rollkragenpulli, wie viele junge Leute.
    »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie wirklich dem Bild entsprechen, das die meisten von Ihnen haben.«
    Er vermied es, Maigret direkt anzusehen, und warf ihm nur ab und zu einen schnellen Blick zu und starrte dann wieder auf den Boden. Seine langen, dünnen Finger waren ständig in Bewegung, was der Kommissar auf die Dauer ziemlich anstrengend fand.
    »Waren Sie nicht überrascht, als Sie Ihre Brieftasche zurückbekamen?«
    »Nach dreißigjähriger Erfahrung bei der Kriminalpolizei wundert man sich nur noch selten.«
    »Und dass das Geld noch drin war?«
    »Sie hätten es gut gebrauchen können, oder?«
    »Ja.«
    »Wie viel hatten Sie denn noch?«
    »So an die zehn Franc …«
    »Wo haben Sie letzte Nacht geschlafen?«
    »Ich habe überhaupt nicht geschlafen, übrigens auch nicht gegessen. Die zehn Franc habe ich vertrunken. Eben habe ich mein letztes Kleingeld ausgegeben. Besaufen konnte ich mich davon nicht …«
    »Sie wohnen aber doch in Paris?«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Und sogar in diesem Viertel.«
    Die Nebentische waren nicht besetzt, und trotzdem sprachen sie leise. Immer wieder ging die Eingangstür auf und zu, fast immer wurden Zigaretten oder Streichhölzer verlangt.
    »Aber Sie sind nicht nach Hause gegangen …«
    Der Mann verfiel in Schweigen, genau wie am Telefon. Er war blass, wirkte erschöpft. Maigret spürte, dass er verzweifelte Anstrengungen machte, um sich zusammenzureißen, und in jedem Wort eine Falle witterte.
    »Genau das habe ich mir gedacht …«, murmelte er schließlich.
    »Was haben Sie sich gedacht?«
    »Dass Sie es erraten, dass Sie es sowieso herausbekommen, und wenn ich dann erst einmal drin bin in dieser ganzen Maschinerie …«
    »Reden Sie ruhig weiter …«
    Plötzlich brauste er auf und erhob die Stimme. Er hatte ganz vergessen, dass sie sich in einem öffentlichen Lokal befanden.
    »Ja, wenn ich dann erst mal in dieser ganzen Maschinerie drin bin, dann bin ich geliefert …«
    Er blickte zur Tür hinüber, die eben aufging, und dem Kommissar schoss die Möglichkeit durch den Kopf, dass er wieder das Weite suchen könnte. Er spielte bestimmt mit diesem Gedanken. In seinen braunen Augen blitzte es kurz auf. Dann griff er nach seinem Bierglas, das er in einem Zug leerte, starrte Maigret über das Glas hinweg an, als wollte er ihn auf Herz und Nieren prüfen.
    »Fühlen Sie sich jetzt besser?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Kommen wir noch einmal auf die Brieftasche zurück.«
    »Warum denn das?«
    »Weil diese Sie dazu bewogen hat, mich anzurufen.«
    »Es war sowieso nicht genug drin.«
    »Nicht genug Geld? Was wollten Sie denn damit anfangen?«
    »Verschwinden … Irgendwohin, nach Belgien oder nach Spanien …«
    Dann überkam ihn wieder das Misstrauen:
    »Sind Sie wirklich allein gekommen?«
    »Ich kann nicht Auto fahren. Einer meiner Inspektoren hat mich hergebracht und wartet an der Ecke, wo die Rue Saint-Charles abgeht.«
    Der andere hob plötzlich den Kopf.
    »Haben Sie mich identifiziert?«
    »Nein, Ihr Foto ist nicht in unseren Akten.«
    »Sie geben aber zu, dass Sie nachgeforscht haben?«
    »Selbstverständlich.«
    »Warum?«
    »Wegen meiner Brieftasche, vor

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