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Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Titel: Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Maigret führte eben ein Stück Fleisch zum Mund – begann Ricain gedankenlos sein Steak zu zerkleinern.
    Er hatte erklärt, dass er keinen Bissen hinunterbringen könne, aber er aß nicht nur, er trank auch, so dass Maigret schon nach einigen Minuten eine weitere halbe Flasche bestellen musste.
    »Wirklich begreifen können Sie es ja doch nicht …«
    »Diesen Satz habe ich im Laufe meiner beruflichen Tätigkeit am häufigsten zu hören bekommen, häufiger als jeden anderen … Dabei habe ich in neun von zehn Fällen sehr wohl begriffen …«
    »Ich weiß … Sie werden mir die Würmer aus der Nase ziehen …«
    »Sind denn da Würmer?«
    »Machen Sie keine dummen Witze … Sie haben es ja gesehen, genau wie ich …«
    »Mit dem Unterschied allerdings, dass Sie die Bescherung schon vor mir gesehen haben. So ist es doch?«
    »Ja.«
    »Wann war das?«
    »Gestern, gegen vier Uhr morgens.«
    »Moment mal, alles schön der Reihe nach. Vorgestern, also am Mittwoch, haben Sie gegen elf Uhr nachts Ihre Wohnung verlassen. Ihre Frau blieb zu Hause …«
    »Sophie wollte zwar unbedingt mitkommen, aber ich habe darauf bestanden, allein zu gehen, denn es ist mir sehr unangenehm, in ihrer Gegenwart um Geld zu betteln. Das hätte dann so ausgesehen, als wäre sie nur Mittel zum Zweck …«
    »Also gut! Sie sind mit dem Wagen losgefahren. Welche Marke?«
    »Ein Triumph Cabriolet.«
    »Wenn Sie schon so dringend Geld brauchten, warum haben Sie ihn dann nicht verkauft?«
    »Weil man mir keine hundert Franc dafür gegeben hätte. Es ist eine Schrottkarre, die wer weiß wie oft den Besitzer gewechselt hat. Ein ziemlich klappriges Vehikel …«
    »Sie haben sich also auf die Suche nach Freunden gemacht, die Ihnen eventuell Geld pumpen konnten, aber sie haben niemanden gefunden.«
    »Diejenigen, die ich angetroffen habe, waren genauso abgebrannt wie ich …«
    »Um vier Uhr morgens sind Sie dann zu Fuß nach Hause zurückgekehrt. Haben Sie an die Tür geklopft?«
    »Nein. Ich hatte meinen Schlüssel.«
    »Hatten Sie getrunken?«
    »Nur ein paar Gläschen. Meine Bekannten verbringen die Nacht meist in Bars oder Nachtlokalen.«
    »Waren Sie betrunken?«
    »Nicht wirklich.«
    »Waren Sie entmutigt?«
    »Ich wusste nicht mehr aus noch ein …«
    »Hatte Ihre Frau Geld?«
    »Genauso wenig wie ich. In ihrer Handtasche waren vielleicht noch zwanzig oder dreißig Franc …«
    »Reden Sie nur weiter … Garçon! Bitte noch Pommes frites.«
    »Sie lag auf dem Fußboden. Als ich mich über sie gebeugt habe, sah ich, dass eine Gesichtshälfte wie weggerissen war … Ich glaube, dass ich Hirnmasse gesehen habe …«
    Er schob den Teller von sich und trank gierig sein viertes Glas Wein.
    »Entschuldigen Sie, bitte … Ich möchte lieber nicht darüber sprechen.«
    »Lag eine Waffe im Zimmer?«
    Ricain erstarrte, blickte Maigret mit großen Augen an, als wäre jetzt der entscheidende Augenblick gekommen.
    »Ein Revolver? Eine Selbstladepistole?«
    »Ja.«
    »Also eine automatische Waffe.«
    »Es war meiner … Ein Browning, Kaliber 6.35, belgisches Fabrikat …«
    »Wie kommt die Pistole in Ihren Besitz?«
    »Auf diese Frage war ich gefasst. Und Sie werden mir wohl kaum glauben …«
    »Haben Sie sie denn nicht bei einem Waffenhändler gekauft?«
    »Nein … Ich hatte überhaupt keinen Grund, mir eine Pistole anzuschaffen. Ich war mal eine Nacht in einem kleinen Restaurant im Villette-Viertel mit ein paar Freunden … Wir hatten ziemlich viel getrunken und haben uns als Schlägertypen aufgespielt …«
    Er wurde rot.
    »Ich vor allem … Die anderen können es Ihnen bestätigen. Das ist so eine Schwäche von mir. Wenn ich getrunken habe, halte ich mich für unwiderstehlich … Irgendwelche unbekannten Leute haben sich dann zu uns an den Tisch gesetzt … Sie wissen ja, wie das so geht in den frühen Morgenstunden … Es war im Winter, vor zwei Jahren. Ich hatte eine Lammfelljacke an. Sophie war auch dabei. Sie hatte ebenfalls getrunken, aber sie weiß immer noch, was sie tut …
    Als ich am nächsten Tag, wohl um die Mittagszeit, meine Lammfelljacke anziehen wollte, habe ich die Pistole in einer der Taschen gefunden … Meine Frau hat mir erzählt, ich hätte sie in der besagten Nacht gekauft, obwohl sie mich davon abhalten wollte … Ich hätte behauptet, ich müsse unbedingt jemanden niederschießen, der mir übelwolle. Ich hätte in einem fort gebrüllt:
    ›Entweder er oder ich, mein Junge …‹«
    Maigret hatte sich seine Pfeife angezündet und

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