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Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Titel: Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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blickte den jungen Mann nachdenklich und mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck an.
    »Können Sie das begreifen?«
    »Reden Sie nur weiter … Wir waren vorhin beim Donnerstag angelangt, und zwar um vier Uhr morgens … Ich nehme an, niemand hat Sie nach Hause kommen sehen.«
    »Bestimmt nicht.«
    »Und niemand hat Sie die Wohnung wieder verlassen sehen?«
    »Niemand …«
    »Was haben Sie mit der Waffe gemacht?«
    »Woher wissen Sie, dass ich sie weggeworfen habe?«
    Der Kommissar zuckte die Achseln.
    »Ich weiß auch nicht, warum ich das getan habe … Es stand für mich fest, dass man mich für schuldig halten würde …«
    »Warum?«
    Ricain sah den Kommissar entgeistert an.
    »Das versteht sich doch von selbst, oder? … Nur ich hatte einen Schlüssel … Die Mordwaffe gehört mir, ich habe sie immer in einer Kommodenschublade aufbewahrt … Sophie und ich hatten manchmal Differenzen … Sie lag mir ständig damit in den Ohren, dass ich mir einen festen Arbeitsplatz suchen sollte …«
    »Was sind Sie von Beruf?«
    »Wenn man das überhaupt als Beruf bezeichnen kann … Ich bin Journalist, ohne bei einer Zeitung angestellt zu sein … Das heißt, ich versuche, meine Artikel, vor allem Filmkritiken, irgendwo unterzubringen … Ich arbeite auch als Regieassistent, und bei Gelegenheit schreibe ich Dialoge …«
    »Haben Sie die Pistole in die Seine geworfen?«
    »Etwas unterhalb dem Pont Bir-Hakeim … Dann bin ich wieder durch die Straßen geirrt …«
    »Immer noch auf der Suche nach Freunden?«
    »Das habe ich mich nicht mehr getraut … Jemand konnte doch den Schuss gehört und die Polizei alarmiert haben … Ich weiß auch nicht … In solchen Momenten handelt man nicht unbedingt logisch …
    Man hätte mich gejagt und vor Gericht gestellt … Alles würde gegen mich sprechen, sogar die Tatsache, dass ich einen Teil der Nacht in der Stadt herumgelaufen bin … Ich hatte getrunken … Ich habe nach irgendeiner offenen Bar Ausschau gehalten … Als ich in Richtung Vaugirard eine entdeckt habe, habe ich gleich drei Gläser hintereinander runtergekippt …
    Ich wusste, dass ich kein Verhör durchstehen würde, weil ich mich in Widersprüche verwickelt hätte … Dann wäre ich in eine Gefängniszelle gekommen … Dabei leide ich so sehr unter Klaustrophobie, dass ich noch nicht mal mit der Metro fahren kann … Schon allein die Vorstellung, im Gefängnis zu sitzen, mit den schweren Riegeln an den Türen …«
    »Wollten Sie wegen Ihrer Klaustrophobie ins Ausland fliehen?«
    »Sehen Sie, Sie glauben mir nicht! …«
    »Vielleicht doch!«
    »Man muss einmal eine solche Situation durchlebt haben, um zu wissen, was einem dabei durch den Kopf schießt … Da denkt man nicht mehr logisch … Ich bin noch nicht einmal in der Lage, Ihnen zu sagen, durch welche Stadtviertel ich gelaufen bin … Ich musste einfach nur laufen, vom Grenelle-Viertel wegkommen, wo ich mich im Geiste schon von den Fahndern verfolgt gesehen habe … Ich erinnere mich, dass ich von weitem den Bahnhof Montparnasse gesehen und am Boulevard Saint-Michel ein Glas Weißwein getrunken habe … Vielleicht war es auch am Bahnhof Montparnasse …
    Eigentlich wollte ich gar nicht wirklich fliehen … Nur Zeit gewinnen, nicht sofort verhört werden, vor allem nicht in diesem Zustand … In Belgien oder sonst wo hätte ich abwarten können, wie sich die Dinge entwickeln … In den Zeitungen hätte ich mich über den Stand der Ermittlungen informiert … Ich hätte nähere Einzelheiten erfahren, die ich noch nicht wusste und die mir für meine Verteidigung hätten nützlich sein können …«
    Diese Mischung aus Naivität und Gerissenheit ließ Maigret unwillkürlich lächeln.
    »Was hatten Sie denn an der Place de la République verloren?«
    »Nichts … Ich bin zufällig dorthin geraten, ich hätte genauso gut woanders landen können … Ich hatte nur noch einen Zehnfrancschein in der Tasche … Ich habe drei Busse vorbeifahren lassen …«
    »Weil keiner eine offene Plattform hatte?«
    »Ich weiß nicht … Ich schwöre Ihnen, Herr Kommissar, dass ich es nicht weiß … Ich habe Geld für die Bahnfahrkarte gebraucht … Ich bin auf die Busplattform gestiegen … Sie war rappelvoll … Sie haben mit dem Rücken zu mir gestanden …
    Dann haben Sie einen Satz nach hinten gemacht und hätten beinahe den Halt verloren … Da fiel mir Ihre Brieftasche ins Auge, deren Rand vorstand … Ohne weiter nachzudenken, habe ich sie gepackt, und als ich den Kopf hob,

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