Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes
geköpft wird.
Ich möchte es nicht beschwören, aber ich wette, daß ihn jetzt die ausbleibende Bewunderung am meisten bedrückt. Daß niemand sich sagt, wenn er vorübergeht:
›Er sieht wie ein gewöhnlicher Mensch aus, und dabei hat er eines der raffiniertesten Verbrechen verübt, die es jemals gegeben hat. Er hat die Polizei überlistet, die Justiz irregeführt, das Leben einiger Menschen verändert …
Andere Mörder haben dies erfahren. Die meisten haben den Drang verspürt, sich jemandem anzuvertrauen, und wäre es auch einer Hure.
Doch Radek ist stärker. Im übrigen hat er sich nie für Frauen interessiert.
Eines Morgens berichten die Zeitungen von Heurtins Flucht. Ist dies nicht die beste Gelegenheit? Er wird Verwirrung stiften, wieder eine aktive Rolle spielen …
Er schreibt an den Sifflet . Er gerät in Panik, da er sieht, wie sein Komplize ihm auflauert, und wirft sich der Polizei freiwillig in die Arme … Aber er will bewundert werden! Er will als guter Spieler gelten!
Deshalb erklärt er:
›Sie werden nie etwas begreifen!‹
Von da an überstürzen sich die Ereignisse. Er spürt, daß er sich im Netz verfangen wird. Ja, er führt diesen Augenblick selbst herbei! Bewußt begeht er eine Unvorsichtigkeit nach der anderen, wie von einer inneren Macht getrieben, als sehnte er sich nach Strafe …
Er hat in diesem Leben nichts mehr zu verlieren. Er ist zum Tod verurteilt. Alles widert ihn an, alles empört ihn. Er fristet ein jämmerliches Dasein.
Er spürt, daß ich hinter ihm her bin und daß ich ans Ziel gelangen werde …
Es bekommt wahnhafte Züge. Er hält mich zum Narren. Er macht sich einen Spaß daraus, mich hinters Licht zu führen …
Hat er nicht Heurtin und Crosby hereingelegt? Wird er nicht auch mich hereinlegen können?
Um mich zu verwirren, erfindet er Geschichten. Unter anderem lenkt er meine Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß alles, was mit dem Mord zusammenhängt, sich rund um die Seine abgespielt hat.
Werde ich nicht darauf hereinfallen, einer falschen Fährte nachjagen?
Er wird mich von einer falschen Fährte auf die andere locken … Er lebt wie im Fieber. Er weiß, er ist verloren, aber er kämpft weiter, spielt weiter um sein Leben.
Warum nicht zum Beispiel einen Crosby im Sturz mitreißen?
Er sieht sich als allmächtigen Schicksalsgott … Er ruft den Amerikaner an, fordert seine hunderttausend Franc.
Er zeigt mir das Geld. Es bereitet ihm ein krankhaftes Vergnügen, mit seiner Freiheit zu jonglieren.
Er ist es auch, der Crosby zwingt, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Villa in Saint-Cloud einzufinden. Und das ist ein psychologisches Meisterstück! Er hat mich kurz vorher gesehen. Ihm ist klargeworden, daß ich die ganze Untersuchung um jeden Preis noch einmal aufzurollen gedenke …
Mit anderen Worten: Ich würde nach Saint-Cloud fahren und dort auf Crosby treffen, der seine Anwesenheit wohl nicht so ohne weiteres erklären könnte.
Hat er nicht sogar den Selbstmord des Mannes, der sich ertappt fühlte, vorausgesehen? Es wäre möglich! Es ist sogar wahrscheinlich. Aber das genügt ihm nicht! Er berauscht sich mehr und mehr an seiner Macht.
Und weil ich spüre, daß er sich selbst nicht mehr in der Gewalt hat, hefte ich mich an seine Fersen, stumm und verbissen, Tag und Nacht, immer!
Ob seine Nerven das aushalten? Kleine Vorfälle beweisen mir, daß er den Boden unter den Füßen verliert … Er muß seinen Haß auf die Menschen dauernd an jemandem auslassen. Er demütigt kleine Leute, stellt eine Bettlerin bloß, verursacht Raufereien unter Dirnen.
Und die ganze Zeit über versucht er zu erraten, wie ich auf seine Herausforderungen reagiere. Wie ein Schmierenkomödiant.
Er bewegt sich am Rand eines Abgrunds. Wenn er so weitermacht, wird er bald den Kopf verlieren. Er wird unweigerlich einen Fehler begehen.
Und er begeht ihn! Alle großen Verbrecher sind früher oder später an diesem Punkt angelangt!
Er hat zwei Frauen umgebracht. Er hat Crosby auf dem Gewissen. Er hat aus Heurtin ein Wrack gemacht …
Er wird das Blutbad fortsetzen, ehe für ihn das Leben zu Ende ist.
Aber ich habe gewisse Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Janvier hat den Auftrag, im ›Hôtel George-V‹ sämtliche Briefe abzufangen, die an Madame Crosby oder an Edna adressiert sind, und alle ihre Telefongespräche abzuhören.
Zweimal kann sich Radek, den ich auf Schritt und Tritt verfolge, für wenige Minuten aus meinem Blickfeld entfernen, und ich ahne, daß er Briefe
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