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Maigret und der Spion

Maigret und der Spion

Titel: Maigret und der Spion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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geschniegelter Gast, der mit dem Patron pokerte. Dazu Adèle und ihr Gefährte, der sich noch immer nicht um sie kümmerte.
    Ganz die Atmosphäre des Kleinstadt-Nachtlokals. Irgendwann hoben drei Angeheiterte den Türvorhang an. Der Patron eilte herbei. Die Musiker holten das Letzte aus ihren Instrumenten heraus. Doch sie verz o gen sich, und man hörte sie unter Gelächter davong e hen.
    Je später es wurde, desto ernster wurden Chabot und Delfosse. Die Müdigkeit schien Furchen in ihre Gesic h ter zu graben, ihrer Haut eine häßliche graue Tönung zu verleihen und die Schatten unter ihren Augen zu verti e fen.
    »Meinst du, wir sollten es tun?« fragte Chabot leise, daß sein Begleiter die Worte mehr erriet als hörte.
    Keine Antwort, bloß ein Trommeln der Finger auf der Marmorplatte des Tisches.
    An die Schulter des Fremden gelehnt, zwinkerte Ad è le ihren zwei jungen Freunden zu, ohne den zärtlich-heiteren Ausdruck zu verlieren, den sie aufgesetzt hatte.
    »Victor!«
    »Sie gehen schon? Ein Rendezvous?«
    Wie Adèle verliebt tat, so tat er verschwörerisch, au f geregt.
    »Wir bezahlen das morgen mit dem Rest, Victor! Wir haben kein Kleingeld dabei.«
    »Selbstverständlich, die Herren! Guten Abend! Gehen sie dort hinaus?«
    Die beiden jungen Männer waren nicht betrunken. Trotzdem gingen sie wie unter der Wirkung eines Al p traums davon, ohne um sich etwas wahrzunehmen.
    Das ›Gai-Moulin‹ hatte zwei Eingänge. Der Hauptei n gang ging auf die Rue du Pont-d’Or hinaus. Durch diese Tür kamen und gingen die Gäste. Doch nach zwei Uhr morgens, nach der Polizeistunde, wenn das Lokal schon hätte geschlossen sein sollen, benützte man eine schmale Hintertüre, die auf eine schlecht erleuchtete, verlassene Seitengasse hinausführte.
    Chabot und Delfosse gingen durch den Saal, am Tisch des Fremden vorbei, erwiderten den Abschied s gruß des Patrons, schoben sich durch die Tür zu den Toiletten. Dort hielten sie einen Augenblick inne, ohne sich anzusehen.
    »Ich habe Angst«, stammelte Chabot.
    Er sah sich in einem ovalen Spiegel. Gedämpft drang die Tanzmusik noch an ihr Ohr.
    »Schnell!« zischte Delfosse, eine Tür öffnend, hinter der sich ein finsterer Abgang auftat, wo feuchte Kühle herrschte.
    Es ging zum Keller hinab. Die Stufen waren aus Zi e gelstein. Von unten schlug ihnen ein widerlicher Bier- und Weingeruch entgegen.
    »Wenn jemand käme!«
    Chabot wäre beinahe gestolpert, weil die Tür zuging und plötzlich alles dunkel war … Seine Hände tasteten über die salpeterverkrustete Mauer. Jemand stieß an ihn an, und er erschrak, doch es war nur sein Freund.
    »Rühr dich nicht!« befahl dieser.
    Hören konnten sie die Musik eigentlich nicht mehr. Sie konnten sie bloß noch erahnen. Vor allem spürte man das Dröhnen der Pauke. Der Rhythmus lag in der Luft und beschwor den Saal herauf mit den granatroten Polsterbänken, den klirrenden Gläsern, der Frau im rosa Kleid, die mit ihrem Partner im Smoking tanzte.
    Es war kalt. Chabot spürte, wie die Feuchtigkeit ihm durch die Kleider drang, und er mußte ein Niesen u n terdrücken. Er fuhr sich mit der Hand über den kla m men Nacken. Er hörte Delfosse atmen. Mit jedem Atemstoß kam Tabakmief herüber. Jemand ging auf die Toilette. Wasser rauschte. Ein Geldstück fiel in eine Untertasse.
    Sonst gab es bloß noch das Ticken einer Uhr in De l fosses Tasche.
    »Meinst du, wir bekommen sie auf?«
    Der andere kniff ihn in den Arm, um ihn zum Schweigen zu bringen. Seine Finger waren eiskalt.
    Oben fing der Patron wahrscheinlich an, ungeduldig nach der Uhr zu sehen. Wenn das Lokal voll und etwas los war, kümmerte er sich nicht sonderlich um die Pol i zeistunde. Aber bei leerem Saal erwachte in ihm plöt z lich der Respekt für die obrigkeitlichen Vorschriften.
    »Meine Herren, wir schließen. Es ist zwei Uhr!«
    Die zwei Burschen da unten hörten nichts. Doch sie konnten erraten, was Minute für Minute vor sich ging. Victor kassierte ab und rechnete dann an der Bar mit dem Patron ab, während die Musiker ihre Instrumente zusammenpackten und der Pauke eine grüne Tuchhülle überzogen.
    Der andere Kellner, Joseph, stellte Stühle auf die T i sche und sammelte die Aschenbecher ein.
    »Schluß, meine Herren! Mach schon, Adèle! Trödel nicht so!«
    Der Patron war ein untersetzter Italiener, der schon in den Bars und Hotels von Cannes, Nizza, Biarritz und Paris gearbeitet hatte.
    Schritte in der Toilette. Es war der Patron, der kam, um persönlich die kleine

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