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Maigret und der Spion

Maigret und der Spion

Titel: Maigret und der Spion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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willst du sagen?«
    »Ein Auge war offen, das andere zu.«
    Und in jähem Zorn:
    »Ich brauch etwas zu trinken!«
    Sie sind in der Rue du Pontd’Avroy. Alle Lokale sind geschlossen. Nur eine Bratküche hat noch auf, wo es Bier gibt, Miesmuscheln und Rollmops und Pommes frites.
    »Wollen wir da rein?«
    Der Koch, ganz in Weiß, schürt die Kohle. Eine Frau, die in einer Ecke beim Essen sitzt, lächelt den Freunden einladend zu.
    »Bier! … Pommes frites … und Muscheln!«
    Und siehe da, nach der ersten Portion bestellen sie nach. Sie essen ingrimmig. Draußen herrscht Dunke l heit, nur hin und wieder hastet jemand vorbei.
    »Wieviel macht das, Garçon?«
    Ein neuer Schreck. Würden Sie zusammen wohl noch genug haben, um ihr Essen zu bezahlen?
    » … sieben und zwei fünfzig und drei sechzig und … Achtzehn fünfundsiebzig!«
    Es reicht gerade noch zu einem Franc Trinkgeld.
    Die Straßen. Die geschlossenen Rolläden der G e schäfte. Die Gaslaternen und in der Ferne die Schritte einer Polizeistreife.
    Die zwei Burschen überqueren die Maas.
    Delfosse schweigt, blickt starr vor sich hin, in Geda n ken so weit weg von der momentanen Realität, daß ihm nicht bewußt wird, was sein Freund zu ihm sagt.
    Und Chabot, um nicht allein zu bleiben, um dieses tröstliche Nebeneinander möglichst lange zu erhalten, trottet mit bis zum Eingang eines stattlichen Hauses in der schönsten Straße des Viertels.
    »Komm noch ein Stück mit!« bettelt er dann.
    »Nein … mir ist schlecht … «
    Das trifft auf beide zu; ihnen ist schlecht. Chabot hat bloß einen flüchtigen Blick auf die Leiche erhascht, aber seine Phantasie arbeitet rege.
    »War es wirklich der Türke?«
    Sie nennen ihn den Türken, weil sie’s nicht besser wissen. Delfosse antwortet nicht. Lautlos hat er seinen Schlüssel ins Schloß gesteckt. Im Halbdunkel wird ein breiter Flur mit einem Messingschirmständer sichtbar.
    »Bis morgen … «
    »Im ›Pélican‹?«
    Doch die Tür bewegt sich bereits, wird gleich zufa l len. Wieder setzt das Schwindelgefühl ein. Wäre er bloß schon zu Hause, im Bett! Vielleicht war die ganze G e schichte damit ausgestanden?
    Chabot ist nun völlig allein in dem verlassenen Vie r tel, hastet dahin, rennt, zögert an den Ecken der Straßen und stürzt dann wie ein Wahnsinniger weiter. An der Place du Congrès weicht er den Bäumen aus. Er verlan g samt seine Schritte, weil er in der Ferne einen Passanten wahrnimmt. Doch der Unbekannte schlagt eine andere Richtung ein.
    Die Rue de la Loi. Einstöckige Häuser. Eine Türschwe l le. Jean Chabot sucht seinen Schlüssel, öffnet, dreht den Lichtschalter und geht durch die Glastür zur Küche, wo das Feuer noch nicht ganz erloschen ist.
    Er muß nochmals zurückgehen, weil er vergessen hat, die Haustür zu schließen. Es ist warm. Auf dem weißen Wachstuch des Küchentisches liegt ein Zettel mit ein paar in Bleistift geschriebenen Worten:
     
    In der Anrichte ist ein Kotelett für Dich und im Schrank ein Stück Kuchen. Gute Nacht.
    Vater
     
    Jean betrachtet das alles mit stumpfem Blick, öffnet die Anrichte, sieht das Kotelett, bei dessen bloßem Anblick sich ihm schon der Magen umdreht. Auf dem Möbel steht ein kleiner Blumentopf mit einer Pflanze, die au s sieht wie Vogelmiere.
    Also ist Tante Maria dagewesen! Immer wenn sie kommt, bringt sie irgendein Gewächs mit. Ihr Haus am Quai Saint-Léonard ist voll davon. Und obendrein gibt sie jedesmal eingehende Ratschläge für die Pflege.
    Jean hat das Licht ausgemacht. Er steigt die Treppe hinauf, nachdem er die Schuhe ausgezogen hat. Er geht im ersten Stock an den Zimmern der Untermieter vo r bei.
    Im Dachstock liegen die Mansarden. Das Dach läßt kühle Luft herein.
    Als er oben am Treppenabsatz anlangt, knarrt eine Matratze. Jemand ist wach, sein Vater oder seine Mutter. Er öffnet die Tür zu seinem Zimmer.
    Doch eine gedämpfte Stimme erreicht ihn:
    »Bist du’s, Jean?«
    Nichts zu machen! Er muß hinein und seinen Eltern gute Nacht sagen. Er tritt in ihr Zimmer. Die Luft ist stickig. Sie haben seit Stunden geschlafen.
    »Es ist spät, nicht?«
    »Nicht besonders.«
    »Du solltest … «
    Nein! Sein Vater bringt den Mut nicht auf, ihn zu schimpfen. Oder er ahnt, daß es zu nichts führt.
    »Gute Nacht, mein Sohn … «
    Jean beugt sich hinab, küßt eine feuchte Stirn.
    »Du bist ganz verfroren … Du … «
    »Es ist kalt draußen.«
    »Hast du das Kotelett gefunden? Den Kuchen hat Tante Maria mitgebracht.«
    »Ich hatte schon

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