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Maigret und der Spion

Maigret und der Spion

Titel: Maigret und der Spion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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«
    »Wieviel?«
    »Fast zweitausend … «
    Die Zahl erschreckte Chabot.
    »Hier sind dreihundert Franc für die kleine Kasse. Den Rest teilen wir.«
    »Auf keinen Fall.«
    Beide waren gleichermaßen aufgeregt, mit dem U n terschied, daß Delfosses Hartnäckigkeit fast etwas B e drohliches hatte.
    »Aber klar! Wir machen doch immer halbe-halbe.«
    »Ich brauch das Geld nicht.«
    »Ich auch nicht. «
    Unwillkürlich ging ihr Blick zu einem steinernen Ba l kon im ersten Stock eines der Häuser hinauf: da lag das möblierte Zimmer, das Adèle, die Tänzerin vom ›Gai-Moulin‹, bewohnte.
    »Bist du nicht daran vorbeigekommen?«
    »Ich bin durch die Rue du Pont-d’Or gegangen … Die Türen standen offen, wie jeden Morgen … Victor und Joseph waren beim Auskehren. «
    Jean preßte die Finger so krampfhaft zusammen, daß sie knackten.
    »Aber du hast dich doch nicht getäuscht, heute nacht, oder?«
    »Ich bin sicher, es war der Türke!« stieß Delfosse he r vor und erschauerte.
    »Und es war keine Polizei auf der Straße?«
    »Nichts! Alles war wie immer. Victor hat mich ges e hen und mir einen Gruß zugerufen … «
    Sie betraten das ›Pélican‹, setzten sich an einen Tisch in Fensternähe, bestellten englisches Bier. Und sogleich fiel Jean ein Gast auf, der ihm beinahe gegenübersaß.
    »Dreh dich nicht um … Sieh in den Spiegel. Er war diese Nacht im … Du weißt, was ich meine … «
    »Der Dicke … Ja, ich erkenne ihn … «
    Es war der Gast, der als letzter ins ›Gai-Moulin‹ g e kommen war, der derbe, breitschultrige Mann, der Bier getrunken hatte.
    »Der scheint mir nicht aus Lüttich zu sein. «
    »Er raucht französischen Tabak. Achtung! Er be o bachtet uns.«
    »Garçon!« rief Delfosse. »Wieviel macht das? Ich glaube, wir schulden Ihnen noch zweiundvierzig Franc, nicht wahr?«
    Er hielt dem Kellner einen Hundertfranc-Schein hin, ließ noch einige weitere sehen.
    »Da, ziehen Sie ab, was Sie bekommen.«
    Sie fühlten sich nirgends wohl. Kaum saßen sie, br a chen sie schon wieder auf. Unruhig sah Chabot sich um.
    »Der Mann folgt uns. Jedenfalls ist er hinter uns.«
    »Schweig! Du machst einem ja noch Angst. Warum sollte er uns folgen?«
    »Man wird ihn schließlich gefunden haben … den Türken. Oder er war nicht tot … «
    »Schweig endlich!« knurrte Delfosse mit steigendem Nachdruck.
    Stumm legten sie die nächsten dreihundert Meter z u rück.
    »Meinst du, wir sollten heute abend hin?«
    »Natürlich! Es würde recht merkwürdig aussehen, wenn … «
    »Sag mal! Ob vielleicht Adèle etwas weiß?«
    Jeans Nerven waren überreizt. Er wußte weder wo hinsehen noch was sagen. Er wagte nicht, sich umz u wenden, und er spürte hinter sich die Gegenwart des breitschultrigen Mannes.
    »Wenn er auch über die Maasbrücke geht, verfolgt er uns.«
    »Gehst du nach Hause?«
    »Ich muß … Meine Mutter ist wütend.«
    Er war nahe daran, mitten auf der Straße in Tränen auszubrechen.
    »Er kommt über die Brücke … Glaubst du nun, daß er uns folgt!«
    »Schweig jetzt! Bis heute abend! So, ich bin am Ziel.«
    »René!«
    »Was ist denn?«
    »Ich will dieses ganze Geld nicht behalten … Hör doch! … «
    Doch Delfosse zuckte bloß die Achseln und ging ins Haus. Jean beeilte sich weiterzukommen, immer wieder in Schaufenster blickend, um festzustellen, daß man ihm noch folgte.
    In den ruhigen Wohngegenden am anderen Ufer der Maas war kein Zweifel mehr möglich. Da wurden ihm die Knie weich. Beinahe wäre er stehengeblieben, von Schwindel erfaßt. Stattdessen ging er noch schneller, als treibe ihn die Furcht vorwärts.
    Als er zu Hause ankam, fragte seine Mutter:
    »Was hast du denn?«
    »Nichts … «
    »Du bist ganz blaß … fast grün … «
    Und erbittert:
    »Prächtig, prächtig, nicht wahr? Sich in deinem Alter derart zuzurichten! … Wo hast du dich heute nacht wieder rumgetrieben? Und in welcher Gesellschaft? … Ich verstehe deinen Vater nicht, daß er dir das durchg e hen läßt … So, jetzt iß!«
    »Ich hab keinen Hunger.«
    »Schon wieder nicht?«
    »Laß mich, Mutter, bitte. Ich fühle mich nicht gut … Ich weiß nicht, was ich habe … «
    Aber Madame Chabots scharfer Blick ließ sich nicht erweichen.
    Sie war eine kleine, herbe, lebhafte Person, von mo r gens bis abends auf den Füßen.
    »Wenn du krank bist, laß ich den Arzt kommen!«
    »Um Himmels willen, nein!«
    Schritte im Treppenhaus. An der Glasscheibe erschien der Kopf eines der Studenten. Er klopfte, erkundigte sich dann

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