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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Verläßlichkeit bewahrt er auch in den neuen Verhältnissen. Da er in ständiger Angst vor seiner angeheirateten Sippe lebt, spielt er seine Rolle weiter. Für die Préjeans bleibt er der Reisevertreter der Firma Niel in der Normandie.
    Reich wird er nicht dabei. Royalisten gibt’s nicht wie Sand am Meer, und einige rücken nur ungern mit ihrem Geld heraus. Immerhin lebt er in einem gewissen Wohlstand, und damit würde er sich begnügen, bekäme er nicht im eigenen Haus fortwährend zu hören, er werde es nie zu etwas bringen.
    Trotzdem hängt er an seiner Frau. Vielleicht sogar auch an seinem Sohn.
    Jahre vergehen. Gallets Leberleiden verschlimmert sich. Er hat Anfälle, die ihn einen vorzeitigen Tod befürchten lassen.
    So schließt er eine Lebensversicherung ab, sogar eine sehr hohe, um der Gattin und dem Sohn nach seinem Tod ein Leben im gewohnten Rahmen zu ermöglichen. Er gibt sich völlig aus. Immer häufiger sucht er als Monsieur Clement die fürstlichen Witwen und die Herren des Ancien régime auf ihren Landsitzen auf …
    Sie sind mir soweit gefolgt, nicht wahr?
    Vor drei Jahren hat ihm ein Monsieur Jacob geschrieben. Und dieser Monsieur Jacob weiß über seine Machenschaften Bescheid, fordert Geld von ihm, das Gallet ihm alle zwei Monate als Preis für sein Schweigen überweisen soll.
    Was tun? Er ist das schwarze Schaf der Familie Préjean, der arme Verwandte, dem man höchstens zu Neujahr eine Karte schickt und den die erfolgreichen Schwager meiden.
    Am 25. Juni trifft er mit Monsieur Jacobs letztem Brief in der Tasche in Sancerre ein. Es ist Samstag. Am Montag muß er Monsieur Jacob zwanzigtausend Franc bar auf die Hand geben …
    Heute nachmittag, auf dem Weg vom Bahnhof zum Hotel, habe ich mich in seine Lage zu versetzen versucht.
    Daß man keine zwanzigtausend zusammenbringt, indem man – unter welch listigen Vorwänden auch immer – bei den Royalisten anklopft, ist klar.
    Er versucht es schon gar nicht. Er kommt zu Ihnen. Zweimal! Nach seinem zweiten Besuch geht er ins Hotel und verlangt ein Zimmer zum Hof hinaus.
    Hat er gehofft, Ihnen die zwanzig Tausender abzuknöpfen? Wenn ja, so ist diese Hoffnung am Abend geschwunden.
    Und jetzt erklären Sie mir, was er in jenem Zimmer, das er nicht bekam, eigentlich wollte! Denn dann werden wir wissen, warum er auf die Mauer geklettert ist.«
    Saint-Hilaires Lippen zitterten. Maigret übersah es geflissentlich.
    »Eine geniale Überlegung, Kommissar! Trotzdem verstehe ich nicht … Was Sie da eben von mir sagten …«
    »Wie alt waren Sie, als Ihr Vater starb?«
    »Zwölf.«
    »Lebte da Ihre Mutter noch?«
    »Nein, sie starb kurz nach meiner Geburt. Aber sagen Sie mir …«
    »Sind Sie bei Verwandten aufgewachsen?«
    »Ich habe keine Verwandten. Ich bin der letzte Saint-Hilaire. Beim Tod meines Vaters war gerade noch soviel Geld vorhanden, daß ich bis zum neunzehnten Lebensjahr aufs Internat in Bourges gehen konnte. Ohne die unverhoffte Erbschaft eines Vetters, von dessen Existenz niemand mehr wußte …«
    »… und der in Indochina lebte, denke ich …«
    »Dort unten irgendwo, ja … Ein Vetter zweiten Grades, der nicht einmal unsern Namen trug. Ein Duranty de la Roche …«
    »Wie alt waren Sie, als Sie ihn beerbten?«
    »Achtundzwanzig.«
    »Und von neunzehn bis achtundzwanzig haben Sie …«
    »… am Hungertuch genagt! O ja, und ich schäme mich dessen nicht, im Gegenteil! Aber es ist spät, Kommissar. Sollten wir nicht besser …«
    »Warten Sie! Ich habe Ihnen noch nicht gezeigt, was man mit einem Sodbrunnen und einem Zimmer alles anstellen kann … Sie haben nicht zufällig einen Revolver bei sich? … Nein? … Dann nehmen wir den meinen … Moment, da lag doch irgendwo ein Stück Schnur … Hier!
    Jetzt passen Sie genau auf! Ich befestige die Schnur am Kolben meines Revolvers. Nehmen wir an, sie mißt sechs oder sieben Meter oder mehr, es kommt nicht darauf an.
    Holen Sie mir von draußen einen Stein!«
    Wieder gehorchte Saint-Hilaire ohne Widerrede.
    »Mit der linken Hand!« bemerkte Maigret trocken, als er den Stein in Empfang nahm. »Und weiter! Ich befestige den Stein am andern Ende der Schnur. Das Folgende können wir hier im Zimmer demonstrieren. Sie müssen sich vorstellen, die Fensterbrüstung sei der Brunnenrand.
    Ich lasse den Stein über die Brüstung, das heißt, in den Brunnen fallen. Den Revolver halte ich in der Hand. Ich ziele in eine bestimmte Richtung, zum Beispiel auf mich, und drücke ab.
    Die Waffe gleitet mir aus der

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