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Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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einen Mann gefallen wäre, der etwa sein Gewicht hatte. Es war stockdunkel im Zimmer, und Janvier hatte geistesgegenwärtig den Schalter angedreht.
    »Vorsicht, Chef…«
    Der andere hatte Maigret bereits mit dem Kopf einen kräftigen Stoß gegen die Brust versetzt. Maigret taumelte, fiel aber auch jetzt noch nicht, sondern klammerte sich an etwas an, das dabei umstürzte. Es war ein Nachttisch, auf dem Porzellan gestanden hatte, das mit lautem Klirren zerbrach.
    Seinen Revolver am Lauf packend, versuchte der Kommissar mit dem Kolben auf den Mann einzuschlagen. Er hatte den berühmten Oskar noch nie gesehen, aber er erkannte ihn sofort nach der Beschreibung, die man ihm von ihm gegeben. Er entsprach auch genau der Vorstellung, die er sich von ihm gemacht hatte. Der Mann hatte sich von neuem geduckt und wollte auf die beiden Inspektoren zuspringen, die ihm den Weg versperrten.
    Ohne sich lange zu besinnen, hing sich Lapointe an seine Jacke, während Janvier ihn mit einem Polizeigriff zu halten versuchte.
    In dem erregenden Kampf achtete einer kaum auf den anderen, und sie sahen auch nicht, daß auf dem Bett jemand ausgestreckt lag.
    Janvier verlor das Gleichgewicht. Lapointe hielt plötzlich nur noch die Jacke in der Hand, und eine Gestalt jagte in den Flur hinaus. In diesem Augenblick krachte ein Schuß. Man wußte nicht gleich, wer geschossen hatte. Es war Lapointe, der nicht zu dem Mann hinzublicken wagte und fassungslos seinen Revolver anstarrte.
    Bonvoisin war noch ein paar Schritte gelaufen, dann nach vorn gefallen und schließlich im Korridor hingestürzt.
    »Achtung, Janvier…«
    Der Mann hielt einen Revolver in der Hand. Man sah, wie der Lauf sich bewegte. Dann ließen ihn die Finger langsam los, und die Waffe rollte auf den Boden.
    »Glauben Sie, daß ich ihn getötet habe, Chef?« fragte Lapointe mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen und zitternden Lippen. Er konnte es noch nicht fassen, daß er den Mann erschossen hatte, und blickte wieder mit andächtigem Staunen auf seinen Revolver.
    »Ich habe ihn getötet«, sagte er, wagte aber auch jetzt noch nicht, sich zu der Leiche umzudrehen.
    Janvier hatte sich über den Toten gebeugt.
    »Tot. Du hast ihn mitten in die Brust getroffen.«
    Eine Sekunde sah es so aus, als ob Lapointe ohnmächtig werden würde, und Maigret klopfte ihm beruhigend auf die Schulter.
    »Ist das dein erster?« fragte er leise. Und um ihn zu trösten, setzte er hinzu: »Vergiß nicht, daß er der Mörder Arlettes ist.«
    »Ja, das stimmt…«
    Lapointes kindliche Betroffenheit hatte etwas rührend Komisches. Er wußte nicht, ob er weinen oder lachen sollte.
    Man hörte auf der Treppe vorsichtige Schritte. Eine Stimme fragte: »Ist jemand verletzt worden?«
    »Sorg dafür, daß sie nicht heraufkommen«, sagte Maigret zu Janvier. Er mußte sich jetzt um den Menschen kümmern, der dort auf dem Bett lag. Es war ein Mädchen von sechzehn oder siebzehn Jahren, die Hausangestellte des Buchhändlers. Sie war nicht tot; man hatte ihr nur einen Knebel in den Mund gestopft, um sie am Schreien zu hindern. Die Hände waren ihr auf dem Rücken zusammengebunden, und ihr Hemd war bis zu den Achseln hochgeschoben.
    »Geh ‘runter und ruf die Kriminalpolizei an«, sagte Maigret zu Lapointe. »Und wenn noch eine Kneipe offen ist, trink gleich noch ein Bier.«
    »Soll ich das wirklich tun?«
    »Das ist ein Befehl.«
    Es dauerte eine Weile, bis das Mädchen sprechen konnte. Sie war am Abend im Kino gewesen und um zehn Uhr in ihr Zimmer zurückgekehrt. Noch ehe sie Licht machen konnte, hatte ein ihr unbekannter Mann, der im Dunkeln auf sie gelauert hatte, sie gepackt, ihr den Knebel in den Mund gestopft, die Hände festgebunden und sie auf das Bett geworfen.
    Anfangs hatte er sie in Frieden gelassen. Er horchte auf die Geräusche im Flur und öffnete immer wieder die Tür einen Spalt breit.
    Er wartete auf Philippe, aber weil ihm offensichtlich irgend etwas nicht geheuer war, hatte er es nicht in seinem Zimmer ausgehalten. Sicherlich war er dort gewesen, bevor er in das Zimmer des Mädchens eingedrungen war. Deshalb hatten sie auch die Tür unverschlossen vorgefunden.
    »Und was ist dann geschehen?«
    »Er hat mich ausgezogen, und weil meine Hände gefesselt waren, mir dabei die Kleider zerrissen.«
    »Hat er dich vergewaltigt?«
    Sie brach in Tränen aus und nickte stumm.
    Dann sagte sie, während sie etwas Helles vom Fußboden aufnahm: »Mein Kleid ist hin…«
    Sie ahnte gar nicht, welcher Gefahr

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