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Maigret zögert

Maigret zögert

Titel: Maigret zögert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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stellen. Aber warum einen Grund? Zweifellos hat jeder einen Grund, ob er ihm nun bewusst ist oder nicht.«
    »Wie viele Menschen leben in dieser Wohnung?«
    »Wenn wir von Tag und Nacht ausgehen, nicht sehr viele. Meine Frau und ich natürlich...«
    »Haben Sie getrennte Schlafzimmer?«
    Er streifte Maigret mit einem wachsamen Blick, als hätte der andere einen Punkt für sich gewonnen.
    »Wie haben Sie das erraten?«
    »Ich weiß nicht... Die Frage kam mir gerade so in den Sinn.«
    »Es stimmt, wir schlafen getrennt. Meine Frau geht gern spät zu Bett und bleibt morgens lange liegen, während ich ein Frühaufsteher bin. Sie dürfen sich übrigens gern in allen Zimmern umsehen. Bei der Gelegenheit will ich Ihnen gleich sagen, dass weder diese Wohnung noch irgendwelche Teile ihrer Ausstattung von mir ausgesucht wurden.
    Als mein Schwiegervater (Blick auf den Obersten Präsidenten) in Pension ging und sich in die Vendée zurückzog, wurde eine Art Familienrat abgehalten. Es sind vier Schwestern, alle verheiratet. Man hat das Erbe gewissermaßen im Voraus geteilt, und meine Frau hat diese Wohnung mit allem, was drin war, bekommen, einschließlich der Bilder und Büsten.«
    Er lachte nicht, lächelte nicht einmal. Es war viel subtiler.
    »Eine der Schwestern wird das Herrenhaus im Wald von Vouvant in der Vendée erben, und die beiden anderen werden sich die Wertpapiere teilen. Die Gassins de Beaulieu besitzen ein altes Vermögen, so dass für jedermann genug da ist.
    Ich lebe hier also nicht in meinen eigenen vier Wänden, sondern im Haus meines Schwiegervaters, und nur die Bücher, die Möbel in meinem Schlafzimmer und dieser Schreibtisch gehören mir.«
    »Ihr Vater lebt noch, nicht wahr?«
    »Er wohnt fast gegenüber, in der Rue de Miromesnil, wo er sich für seine alten Tage eine Wohnung eingerichtet hat. Er ist seit dreißig Jahren Witwer. Er war Chirurg.«
    »Ein berühmter Chirurg!«
    »Schön... Auch das wissen Sie. Dann ist Ihnen auch bekannt, dass seine große Leidenschaft sich nicht auf den Artikel 64, sondern auf die Frauen bezog. Wir hatten eine ebenso große, aber viel modernere Wohnung in der Rue d’Aguesseau. Mein Bruder, er ist Neurologe, bewohnt sie jetzt mit seiner Frau.
    Damit wäre alles über meine Familie gesagt. Meine Tochter Paulette und ihren Bruder Jacques habe ich schon genannt. Sie sollten, falls Sie sie zu sehen wünschen, auf jeden Fall wissen, dass meine Tochter sich Bambi rufen lässt und auch darauf besteht, ihren Bruder Gus zu nennen. Ich nehme an, diese Laune vergeht ihr wieder. Und wenn nicht, mein Gott! So wichtig ist das auch nicht!
    Was die Dienstboten, wie meine Frau sie nennt, angeht, so haben Sie Ferdinand, den Hausdiener, bereits gesehen. Sein Nachname ist Fauchois. Er stammt wie meine Familie aus dem Berry. Er ist Junggeselle. Sein Zimmer liegt hinten im Hof über den Garagen. Lise, das Zimmermädchen, schläft in der Wohnung, und zum Reinemachen kommt jeden Tag eine gewisse Madame Marchand. Ich vergaß Madame Vauquin, die Köchin. Sie ist mit einem Konditor verheiratet und geht abends heim... Machen Sie sich keine Notizen?«
    Maigret lächelte nur, stand auf und ging zu einem Aschenbecher, der so groß war, dass er seine Pfeife darin ausklopfen konnte.
    »Nun zu meiner Equipage, wenn ich so sagen darf... Mademoiselle Vague haben Sie gesehen. Sie heißt tatsächlich so, und sie findet den Namen nicht lächerlich.
    Ich habe meine Sekretärinnen immer bei ihrem Nachnamen genannt. Sie spricht nie über ihr Privatleben, und ihre Adresse müsste ich in den Akten nachschlagen. Ich weiß nur, dass sie mit der Metro nach Hause fährt und abends bei Bedarf Überstunden macht, ohne zu murren. Sie dürfte vier- oder fünfundzwanzig Jahre alt sein und ist eigentlich immer guter Laune.
    Als Hilfe in meiner Kanzlei habe ich einen sehr ehrgeizigen Referendar namens Rene Tortu, dessen Büro sich am Ende des Korridors befindet.
    Schließlich bleibt noch unser Schreiber, wie wir ihn nennen, zu erwähnen. Ein junger Schweizer von etwa zwanzig Jahren, der erst vor kurzem zu uns gekommen ist. Ich glaube, er hat Schriftstellerambitionen. Er ist für alles da. Eine Art Bürojunge.
    Wenn man mich mit einem Fall betraut, handelt es sich fast immer um eine sehr große Sache, bei der es um Millionen, wenn nicht um Hunderte von Millionen geht. Es kommt dann vor, dass ich eine oder mehrere Wochen lang Tag und Nacht arbeite. Danach kehrt die Routine zurück, und ich habe Zeit...«
    Er errötete,

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