Maison Aglaia
bestenfalls mal eine Reportage verfasst oder als diese Häuser als zahlender Gast frequentiert. Die Wirklichkeit hinter den Kulissen dieses Gewerbes aber war ihm noch völlig fremd.
Mutig hatten Beatrice und er "Maison Aglaia" in ihrer bescheidenen Werbung und auf den kleinen, von ihnen selbst entworfenen Prospekten als ein ganz besonderes Feriendomizil angepriesen - ein Haus mit persönlicher Atmosphäre, ein Refugium der Ruhe und Entspannung, ein Ort für Leute mit Sinn für Geschichte und Kultur, herben Wein und gutes Essen. "Wer einmal hier war, der kommt immer wieder!" hatten sie forsch behauptet.
Ihre jeweiligen Eltern stuften ihren Mut je nach Temperament eher als Unvernunft oder gar Tollkühnheit ein, nur Tante Schnuck und Lebi hatten ihnen uneingeschränkt zugeraten.
"Ach was, wenn andere das können, dann packt ihr das auch. In die Hose machen könnt ihr Euch hinterher immer noch!" war Tante Schnucks deftiger Kommentar gewesen. Mit diesem seltsamen Segen versehen, hatte bisher eigentlich alles überraschend gut geklappt.
Apropos Werbung, nur durch die Mundpropaganda ihrer Freunde und Verwandten und eine kleine Anzeige in der Süddeutschen Zeitung waren die ersten Gäste angelockt worden. Sie wollten erst einmal klein anfangen, um ihre Erfahrungen nicht gleich mit einem ganz vollem Haus sammeln zu müssen. Ein weiser Entschluss, wie sich nur zu bald herausstellen sollte. Trotzdem waren sie bis zum Herbst schon so gut belegt, dass die ganze Sache wenigstens kein Zuschussunternehmen zu werden versprach. Und das war schließlich mehr, als sie ursprünglich zu hoffen gewagt hatten.
Et voilà, hier waren sie, die alten Naturstein-Mauern unterm azurblauen Himmel, dazu der Duft von Thymian und Lavendel. Später im Juli würde dann die trockene Hitze über den mächtigen Schirmpinien flirren, dazu das nur wenige Kilometer entfernte Meer, all das würde sicher seine Wirkung auf die Gäste haben...
Für jedermann sichtbar und spürbar lag Maison Aglaia jetzt im Mai in einem kleinen blühenden Paradies von karger Anmut. Südfrankreich, wie man es sich schöner nicht erträumen konnte. Diese Wirklichkeit konnte auch keine Werbung mehr verbessern.
Peter parkte den nach kurzer Fahrt bereits wieder staubigen rotweißen alten VW-Bus namens "Huckepack" vor dem Bahnhof und machte sich forschen Schrittes auf den Weg. Aus lauter Furcht, er könne sich verspäten, war er natürlich viel zu früh angekommen. Der Zug würde noch eine knappe halbe Stunde auf sich warten lassen. So beschloss Peter, im nahen Bistro noch einen Kaffee zu nehmen. Er versicherte sich selbst in Gedanken, das dies sicher hilfreich zum Abbau seiner Nervosität beitragen könnte.
Beim Betreten des Raumes nickte er dem grauhaarigen Wirt in seinem bunten Hawaii-Hemd freundlich zu. Er war mit Beatrice schon etliche Male hier gewesen, und so erkannte ihn Monsieur Lebriard, der korpulente Bistrobesitzer mit den pfiffigen Mausaugen sogleich.
Doch dann starrte er auf den Rücken einer ihm seltsam bekannt erscheinenden Gestalt an der Bar. Dort stand ein schlanker Mann in einem langen braunen Ledermantel, über dessen Kragen sich schwarze Locken kräuselten. Daneben lag ein abgewetzter Lederkoffer mit dem provozierenden Aufkleber "Ich züchte fünfbeinige Hunde, was machst Du?"
Das konnte doch nur eines bedeuten, fürchtete Peter, obwohl er es kaum glauben mochte...
"Wusste doch, dass ich Dich hier erwischen würde," begrüsste ihn der Hundezüchter, der Peters verdutztes Gesicht im Spiegel hinter dem Tresen studiert hatte. Dabei drehte sich die lange Gestalt langsam um.
Peter erschrak, obwohl er sich gleichzeitig freute. Seine Befürchtung hatte sich bewahrheitet, ein übernächtigtes Gesicht mit geröteten Augen und einem mindestens zwei Tage alten Stoppelbart starrte ihn an. Der Fremde war sein langjähriger Freund und Berufskollege Dieter Pirschfeld aus München.
"Sag, mal, wie kommst Du denn in diesem Zustand hierher?" wundere sich Peter, obwohl er für mindestens sieben verrückte Varianten die Antwort im Voraus wusste.
"Bin erst mal nach Nizza geflogen und dann mit dem Zug her gegondelt," sagte Dieter leichthin.
"Aha, und diese Weltreise hat Dich so völlig fertiggemacht?" stellte Peter sarkastisch fest.
"Oha!" tat Dieter nun seinerseits erstaunt. "Darf ich den missbilligenden Tonfall von Euer Hochwohlgeboren untertänigst dahin interpretieren, dass Dir mein taufrisches Äußeres zu dero allerhöchster Verwunderung Anlass gereicht?"
"Exakt,
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