Make Me Gluecklich
schien einen nicht enden wollenden Bedarf dafür zu geben. Auf internationale Beziehungen war Eliane Tessner spezialisiert, und das interessierte eben auch das Fernsehteam am meisten, das den Film über sie drehte.
Die Verkupplungsversuche in New York würden also gefilmt werden, und danach gab es den Drehtermin in Afrika bei den Zumhorstens. Meine Mutter hatte genau eine Woche Zeit, deren zerrüttete Ehe wieder zu kitten. Ohne die Zumhorstens würde sie tatsächlich das Prunkstück ihrer Sammlung verlieren: ein reiches, glückliches,von ihr zusammengeführtes Ehepaar – er Schweizer, sie Südafrikanerin.
Leider hatte Südafrika gerade herausgefunden, dass es von der Schweiz betrogen wurde. Es war bereits zum offenen Ausbruch von Feindseligkeiten gekommen.
Deswegen musste meine Mutter sofort hin, und deswegen brauchte sie jemanden, der an ihrer Stelle nach Amerika flog. Es ging darum, Denise Westerweg und ihre Mutter zu begleiten, damit sie sich gut betreut fühlten, und dem Fernsehteam die Schokoladenseiten der Agentur zu zeigen. Eine leichte Übung also, sagte meine Mutter.
Ich machte ein skeptisches Gesicht. »Das ist ja eine ganze Meute, für die ich da verantwortlich bin!« Es klang nicht mehr nur nach Bummeln und Shoppen, hin und wieder unterbrochen von einem Treffen mit einer Kundin, wie ich mir das ausgemalt hatte.
»Aber Nora- Schatz , wo denkst du hin?! Ein paar ganz liebe, nette Leutchen, sehr selbstständig, sehr umgänglich – du wirst überhaupt keine Probleme mit ihnen haben! Die Westerwegs sind einfach süß ! Sie sind aus dem Rheinland, fröhlich und unkompliziert; der Vater ist vor fünf Jahren gestorben, Altmetallbranche, glaube ich – auf jeden Fall haben sie Geld!« Eliane hatte ihre Stimme gesenkt und wedelte animiert mit der Hand. »Denise ist bloß ein paar Jahre jünger als du; ihr könntet theoretisch sogar Freundinnen werden! Sie ist eine ganz Herzliche, und sie hört auf ihre Mutter, es ist ein Traum!«
Zack! Meine Mutter war gut im Austeilen solcher Seitenhiebe; wenn man sie dann darauf ansprach, war sie ganz verblüfft und wusste von nichts.
Ich schüttelte nachdenklich den Kopf. »Aber ich habe überhaupt keine Zeit! Ich muss am Wochenende umziehen . . .« Wenn ich mit meiner Mutter zusammen war, ertappte ich mich öfter dabei, genauso theatralisch zu werden wie sie. Lucy-Lee kam herein und stellte ein Glas Lattevor mir ab – genauso, wie ich es mochte: eine winzige Schicht Kaffee und sehr viel Milch.
» Kindchen ! Ich weiß, ich weiß – wenn es nicht um mein Lebenswerk ginge, dann würde ich sagen, ich schicke irgendjemand anderen hin! Aber es geht nun mal um alles oder nichts, ums Eingemachte! Ich muss dir sagen, Nora, und das fällt mir nicht leicht: Es steht nicht sehr gut um die Agentur. Finanziell, meine ich. In den letzten Jahren . . . Nun ja, das Geschäft ist eben einfach schwieriger geworden. Das Internet . . . Die Leute wissen den persönlichen Kontakt und meine Erfahrung nicht mehr zu schätzen . . . Ich brauche den Film, verstehst du? Eine komplette Stunde über mich und Matches Worldwide ! Das ist echte Werbung für mich!«
Ihre Stimme war ruhiger geworden – ohne all die Kiekser und dramatischen Betonungen. Es war also wirklich ernst. Ich fühlte mich plötzlich herausgefordert, mein Bestes zu geben, obwohl ich mit der Agentur nie etwas am Hut gehabt hatte. Mir fiel ein, dass Sven bestimmt anders reagiert hätte, wenn er von den Sorgen meiner Mutter wüsste.
»Hm . . .«, sagte ich.
»Nora«, flehte meine Mutter.
Der Blick, den sie mir zuwarf, war das Maximum an ernsthafter Bitte, mit dem ich rechnen konnte. So offen und ohne jede Show hatte sie mich bisher nur einmal angesehen – als mein Vater vor fünf Jahren gestorben war und sie mir erklärt hatte, warum sie nicht zu seiner Beerdigung gehen konnte. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Mein Vater hatte Eliane verlassen, als ich acht war. Als Kind war ich der Meinung gewesen, meine Mutter hätte ihn in die Flucht getrieben – nein, im Grunde hatte ich das bis zu seinem Tod geglaubt. Erst dann hatte mir meine Mutter erzählt, dass eine andere Frau dahintergesteckt hatte. Es hatte lange gedauert, bis ich das gefressen hatte – es ist nun mal nicht leicht, sich von seinen Vorurteilenzu verabschieden. In meiner Vorstellung war, was die Ehe meiner Eltern anging, meine Mutter zwanzig Jahre lang die Böse gewesen.
»Also gut. Ich mach’s.«
Auf dem wie immer perfekt geschminkten Gesicht
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