Makers
1982 war er 20 Jahre alt, hatte seine Highschool-Freundin geheiratet, und der Rest seines Lebens schien vorgezeichnet.
Dann erkundigte sich sein Chef eines Tages in der Werkhalle nach jemandem, der sich mit CAD/CAM-Design auskannte. Die FordMotor Company hatte einen größeren Auftrag an die Werkstatt vergeben und verlangte digitale Daten. Free hatte keine Ahnung von Computern, aber er meldete sich trotzdem. Warum? »Mich langweilte der Beruf, den ich mir ausgesucht hatte«, sagt er. Es hatte sich niemand sonst gemeldet.
Er verschlang einige technische Handbücher und fuhr zur Ford-Anlage in Dearborn, um sich dort erklären zu lassen, was der Autohersteller erwartete. Dann begann er, die Konstruktionspläne der Maschinenwerkstatt den Anforderungen entsprechend zu digitalisieren. Er wurde immer besser darin. Anfangs überarbeitete er den Maschinencode von Hand, dann schrieb er ein Programm dafür. Als er lernte, wie man programmierte, wurde ein Schalter in seinem Kopf umgelegt. Er liebte es. Er hatte endlich seine wahre Berufung gefunden. Northwest Airlines hatte eine Wartungseinrichtung in Atlanta, und die Firma stellte Free 1988 ein, um digitale Kopien von Ersatzteilen für Flugzeuge zu erstellen, die der Hersteller nicht liefern konnte, damit die Fluggesellschaft die Teile bei Bedarf selbst herstellen konnte.
Nach einiger Zeit nannte man ihn bei Northwest den »innovation guy«. Er wurde immer besser im Umgang mit digitalen Werkzeugen und baute sogar eine CNC-Maschine, die automatisch Turbinenschaufeln auf Fehler überprüfen konnte. Er holte alte DC-10 aus der Mottenkiste und richtete sie wieder so her, dass sie nach Israel geflogen werden konnten, wo sie gründlich überholt und mit einem Gewinn von über zehn Millionen Dollar pro Flugzeug an eine Leasingfirma weiterverkauft wurden. Ende der 1990er-Jahre war Free technischer Leiter der Fluggesellschaft, und es wurde deutlich, dass allein das Lieferkettenmanagement darüber entschied, ob eine Fluggesellschaft Erfolg hatte oder nicht, also der Einsatz von Lieferanten weltweit, um die richtigen Teile zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu haben.
Free realisierte, dass es um etwas sehr viel Größeres ging, als nur eine Fluggesellschaft effizient zu führen: Der gesamte industrielle Herstellungsprozess wurde durch die digitalen Technologien völlig neu erfunden. Er nahm das Angebot eines Herstellers von CNC-Maschinen an, übernahm die regionale Verkaufsleitung der Firma und kam dabei auch mit anderen Herstellern in Kontakt. Er fand heraus, dass diese Firmen vor allem eines brauchten, mehrnoch als eine neue CNC-Maschine: Sie mussten miteinander reden. Also veranstaltete er Geschäftsessen. Dann, eines Tages im Jahr 1999, er kam gerade von einem solchen Essen, hörte er im Radio einen Werbespot von LendingTree.com: »Schreiben Sie Ihre Hypothek aus. Lassen Sie die Kreditgeber gegeneinander antreten.« Er wusste sofort, dass er dasselbe für industrielle Produktion anbieten sollte.
Free erwarb die Domain »MFG.com« für 2000 Dollar, und im Jahr 2000 startete er einen Online-Marktplatz für industrielle Produktion. Die Idee war einfach: Firmen, die etwas herstellen lassen wollten, stellten ihre CAD-Daten auf der Website ein, fügten eine Beschreibung bei über die gewünschten Stückzahlen und alle weiteren notwendigen Anweisungen, und Werkstätten und andere Hersteller gaben ihre Angebote für den Auftrag ab, wie sich die Kreditgeber bei LendingTree für die Vergabe von Hypotheken bewarben. Die Firmen erhielten Bewertungen, und Lieferanten mit sehr guten Bewertungen mussten dann nicht mehr unbedingt die billigsten sein, um Aufträge zu bekommen.
Das war natürlich keine übermäßig originelle Idee. Etwa zur selben Zeit entstanden alle möglichen anderen »Business-to-Business«- oder B2B-Marktplätze, die Ariba, VerticalNet und Commerce One hießen (oder Namen mit »e« am Anfang hatten, von eMetals bis eTextiles), in allen Branchen, von Autos bis Kunststoff. Sie alle wurden vom Traum des »reibungsfreien digitalen Kapitalismus« angetrieben, wie Bill Gates es in seinem Buch Der Weg nach vorn genannt hatte, und sie alle wollten das Lieferkettenmanagement revolutionieren. Viele versuchten es mit einem auf Rückwärtsauktionen basierenden Modell wie eBay, um die Preise zu drücken. Andere repräsentierten mehrere Großeinkäufer einer Branche, die sich zusammenschlossen, um eine ähnlich große Kaufkraft zu erreichen wie Wal-Mart. (In diesem Zusammenhang benutzte
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