Makroleben

Titel: Makroleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Zebrowski

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selbst zu, ich habe sie bemitleidet. Ich habe noch nie eine andere Person so gekannt, wie man sie kennen muß, wie man mich kennen muß. Das Mitleid mit der natürlichen Welt und ihren Leiden hatte ihn abgelenkt, sich mit seinen wahren Bedürfnissen vermischt und ihn zu der Lösung für Probleme gelockt, die er noch nicht verstand.
    Er riß die Trainingsscheibe von seiner Schläfe ab und befestigte sie an ihrem Platz auf dem Schaltbrett. Dann kletterte er aus dem Gleiter. Seine Fußtritte hallten durch die Anlegekammer, während er zum Ausgang ging.
    Die Tür glitt auf, und er trat in den Korridor der Konstruktionsebene. Der breite Gang war frei von Fahrzeugen. Er sah sich nach rechts und links um. Die Deckenbeleuchtung stieg nach vorne in einer Kurve an, die der Krümmung der Welt folgte, und verlor sich in der Entfernung. Die Fahrstuhltüren auf der anderen Seite des Gangs waren verschlossen. Er stand völlig bewegungslos da und machte sich Gedanken über das unendliche Vergessen des Todes, jenes vielbeinigen schrecklichen Insekts, das ihn jeden Augenblick überfallen konnte. Eine kleine Fehlfunktion in seinem Körper konnte ihn trotz seiner unendlich langen Lebensspanne in einer Sekunde vernichten. Noch war er beschränkt und sterblich. Das Makroleben hatte den Tod nicht überwunden. Es hatte ihn lediglich außer Sichtweite geschoben.
    Er wendete sich nach rechts und machte sich den endlosen Gang hinunter auf den Weg. Gab es noch irgendwelche Zweifel darüber, wo seine Loyalität lag? Menschen waren auf einer Welt getötet worden, auf der Intelligenz eine unbedeutende, ohnmächtige Kraft war, die eine mörderische Natur von allen Seiten umgab. Die Menschen dort führten eine grausame, erbärmliche Existenz und klammerten sich an die Außenseite eines Planeten. Das Dorf war zur Landwirtschaft übergegangen und hatte versucht, das Leben von Jägern und Sammlern zu überwinden, während die Nomaden das Dorf weiter als ein wildes Tier behandelt hatten, das sie um der Nahrung willen jagten. Ich bin für das Makroleben, weil es sich gegen den Tod stellt, dachte er. Das Makroleben ist die Erfüllung der Hoffnungen all der Menschen, die vor mir gestorben sind. Wir haben uns zumindest vom Ackerbau des Todes der Natur befreit. Das Stadtleben hat sich endlich vom Land befreit. Solange wir Rohstoffe haben, können wir ewig leben.
    Sein Weg durch den Gang war beruhigend. Er machte sich klar, daß das Sonnensystem seine Kinder zu einem bestimmten Zweck zurückgeholt hatte. Die Geister der Vergangenheit wurden ausgetrieben, die Zukunft öffnete sich wieder. Auch in tausend Jahren würde er noch jung und im Aufbruch begriffen sein. Wieder kamen ihm umfassende, unpersönliche Gedanken. Was war dieses Universum, diese Realität, die ihn umgab und ihn dazu brachte, Hunger und Verlangen in Zweifel zu ziehen? War er dazu verurteilt, seine Existenz zu Ende zu führen, ohne das zu wissen? Er blieb stehen, schloß die Augen und versuchte, seinen Blick vorwärts in Zeiten mit umfassenderem Wissen zu richten. Er benutzte seinen Willen, reiste in jene Zeiten, um zu spüren, was sie brachten. Wenn er in tausend, zehntausend, einer halben Million von Jahren des langen Lebens müde war, würden sich Wege finden, sich schneller in die Zukunft zu bewegen. Er verspürte Ungeduld. Die Grenzen um ihn existierten so sicher, wie das früher der Tod getan hatte. Obwohl die Heimat Generationen ein besseres Leben geboten hatte, fehlte noch etwas. Die leisen Stimmen in ihm wollten keine Ruhe geben. Er war zu früh geboren, Jahrtausende, bevor aus dem Makroleben mehr wurde als eine unsichere Zusammenarbeit der Bewohner. Er hatte den größten Teil seines früheren Lebens darauf gewartet, einen Planeten zu sehen, einen lokal begrenzten Raum, der von dem natürlichen Licht seiner Sonne erhellt wurde. Aber trotz der Schönheit, die er gesehen hatte, hatte die Erfahrung bei ihm Bitterkeit, Mitleid und Kummer über den Verlust hinterlassen, den er nicht ersetzen oder leicht vergessen konnte. Er war auf einer Welt geboren, die sich durch den Weltraum bewegte, und daher hatte er die Erwartung entwickelt, einen Bestimmungsort zu erreichen. Und doch bewegten sich alle Welten durch den Raum, und das Leben brachte eine solche Bewegung mit sich. Er öffnete die Augen und ging weiter. Er wußte, daß er diesen Weg Hunderte von Kilometern weit verfolgen konnte ohne anzuhalten. Der Gedanke beruhigte ihn, und er wußte, was er zu tun hatte.

25.