Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Makroleben

Makroleben

Titel: Makroleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Zebrowski
Vom Netzwerk:
nach der anderen zur Eigenbewußtsein. Er wußte, daß dort die Sammlung von Wissen nie das erste Ziel des Lebens war. Einen Moment lang erhob sich in ihm eine Wut über diese grausame Realität – daß das so sein mußte, daß die Planeten derart schwere Wunden auf dem sternenbesetzten Gesicht der Natur sein mußten, das war unerträglich. Das Leben auf Planeten verlangte so viel Mut und bot so wenig Belohnung für die einzelnen. Das war die eigentliche Tragödie, eine Grausamkeit, die fast dem Gehirn eines universalen Dämons entstammen könnte. Nun war es ihm klar, warum die Zeichen einer reifen Kultur Wissen und Dauerhaftigkeit, Zusammenarbeit und Liebe sein mußten – vor allem aber die Wertschätzung jedes intelligenten Bewußtseins. Die Schöpfung einer solchen Zivilisation war eine Aufgabe, die der Natur verweigert war. Die Natur hatte den Komposthaufen der notwendigen Bedingungen geliefert, und damit mußte sie sich zufriedengeben. Die natürliche Auslese war zu ihrem Ende gekommen. Die natürliche Auslese der Widerstandsfähigkeit des Geistes begann. Einmal mußte die Zeit kommen, in der er nicht mehr in der Lage war, zurückzuschauen.
    Er sah in die Dunkelheit, die das Modell umgab. Das Makroleben war der Ausgangspunkt aller Fragen. War das Universum dazu verurteilt, sich ewig auszubreiten und die Intelligenz schließlich zu zerstören, wenn jegliche Materie das thermale Gleichgewicht erreicht hatte? Stürzte der Kosmos zu einem Punkt von unendlicher Dichte zusammen und erdrückte die verschiedenen Intelligenzen, die er enthielt? Gab es noch etwas jenseits der Dunkelheit?
    Er dachte an Yevetha und Drisa. Er mußte Yevetha nehmen, wie sie war, ihr Wohlergehen zu seinem eigenen machen, dabei aber im Gedächtnis behalten, daß sie anders war als er. Das hatte Drisa ihm beigebracht. Sie hatte sich ihm gezeigt, wie sie war – seinem direkten Verständnis entzogen – und wie er sie haben wollte. Sie hatte ihm angedeutet, daß seine sehnsüchtigen Wünsche eine unreife Liebesaffäre mit dem Universum und keine reife Auseinandersetzung mit der Tyrannei von Raum und Zeit waren. Hatte sie recht? Hatte sie sich mit ihm nur amüsiert und versucht, ihn zu verwirren? Brachte die Zukunft für ihn so viele Veränderungen? Ein trotziger Teil von ihm sagte nein; er würde sie lieben, wie es ihm gefiel. Ein anderer Teil von ihm aber sagte ja, und der schien dem Tod zu ähneln.
    Er schaute sich das Modell lange an, ging aus sich selbst heraus, um sich darin zu verlieren, wurde alt und unpersönlich, betrachtete die Myriaden von Sternen mit einer Art von Liebe, wie er sie vorher nicht gekannt hatte. Zweifel stellten sich ein, um sich in ihrem Zentrum niederzulassen. Er fühlte sich so, als sei er flüssig, als könne er sich jeden Augenblick auflösen und sich in anderer Form neu bilden. Der Schmerz des vergehenden Lebens umgab ihn wie eine fiebrige Nacht, die seinen Geist mit Furcht erfüllte. Als er jedoch seine Augen auf das leuchtende Modell richtete, brachte seine feierliche Schönheit ihm Ruhe und versöhnte ihn mit der unangreifbaren Qualität der Dinge.
    Er wollte gerade gehen, als er in seinen geheimsten Gedanken zum Kern seines Wesens vorstieß. Er erkannte, was er gewesen war, ein Geschöpf aus der Vergangenheit, der Mensch der Vergangenheit, unverändert, noch nicht aus dem Schlaf der Natur erwacht, blind für seine Möglichkeiten. Er war in der Zeit zurückgereist, hatte sich, von der Frische der Meere, Flüsse und Wälder angezogen, in die älteren Bereiche seines Bewußtseins zurückgezogen und die Sicht eines unbekannten Ichs gesucht – eines stolzen Ichs, vom Tod empört und doch bereit, Tod zu bringen. Nun sah er in sich selbst hinein, auf dieses Tier, das dort wie in einem tiefen, von Bergen umringten Wald kauerte, und es blickte ohne Furcht oder Reue zu ihm zurück. Und er wußte, daß dieses unreife Ich zum kleinsten Teil von ihm werden würde, wenn es sich in die tiefsten Winkel seines Bewußtseins zurückzog. Würde es zum Nichts werden, fragte er sich, oder würde es eines Tages mit all seinen üppigen, romantischen Wünschen wieder erwachen?
    John drehte sich um und ging langsam aus dem dunklen Raum, als würde er ein Heiligtum verlassen.
     

 
Drittes Buch
 
Der Traum von der Zeit

Unsere Galaxis erlebt zur Zeit den kurzen Frühling ihres Lebens – ein Frühling, der seine Herrlichkeit so leuchtenden blauweißen Sternen wie Wega und Sirius sowie, auf einer bescheideneren Ebene, unserer

Weitere Kostenlose Bücher