Makroleben
dreihundert Kilometer langen, eiförmigen Körpern an. Einhundertfünfzig Urbanschalen umgaben die ursprüngliche Höhlung des Asteroiden. Die Felder und Städte der inneren Landschaft blieben während der tausend Jahre, die der Bau der Schalen dauerte, relativ unverändert. Wer die urbanen Ebenen erreichen wollte, mußte nach unten fahren, da man mit dem Kopf immer zur Mitte zeigte. Diese Regelung reichte noch von der Zeit her, als zur Erzeugung einer Pseudogravitation durch Zentrifugalkraft auf der inneren Oberfläche für den Asteroiden eine Drehung notwendig war. Asterom war mit seinen zweihundert Schalen in der Länge dreihundert und in der Mitte einhundertfünfzig Kilometer stark. Gravitationsfahrstühle verkehrten in der Breitseite auf und ab, und in jeder zehnten Ebene verliefen Röhrenbahnen, die den sechshundert Kilometer langen Weg um den Asteroiden herum machten. Die äußerste Schale, die direkt unter der Vakuum-Isolationsschicht und dem Deflektionsschild lag, bestand aus einem Netz von Anlagen – Labors, Observatorien, Zentren für die Kontrolle und Verteilung von Wärme, Docks für kleine Raumschiffe, Schleusen für die Annahme von Rohmaterial und Zusatzkraftwerke für Notfälle. Die Gesamtfläche der einhundertfünfzig Ebenen war fast 100 000 000 Quadratmeilen groß, also doppelt so viel wie die gesamte nutzbare Fläche der Erde. Dieses Gelände konnte dadurch verdoppelt werden, daß man zwischen zwei bereits bestehenden Ebenen eine zusätzliche einrichtete. Selbst dann blieb zwischen den Ebenen ein halber Kilometer oder eine Drittelmeile – mehr als genug, um die Illusion von offenem Himmel zu erwecken, wenn man das wünschte. Fortpflanzung war für die Makrowelt auf verschiedene Arten möglich: Man konnte die äußere Schale verlassen und den leeren Innenteil ausbauen. Immer neue Ebenen konnten eingezogen werden, bis die praktikable Grenze erreicht war. Außen konnten neue Schalen hinzugeführt werden.
Es ist möglich, daß im Verlauf des Jahrtausends nach dem Auszug Asteroms von Mars/Ganymed bis zu einem Dutzend Makrowelten in die Galaxis hinausgeschickt wurden. Der nostalgische Wunsch, erdähnliche Planeten zu finden, statt das Makroleben aufzunehmen, hielt sich jedoch beharrlich. Es wird geschätzt, daß eine so große Anzahl wie fünfzig kleinere Sternenschiffe dazu benutzt wurden, um Sonnenräume innerhalb eines Radius von hundert Lichtjahren von der Erde zu besiedeln.
Viele dieser Siedlerschiffe waren mit schadhaften Antrieben und fehlerhaften Schirmanlagen ausgerüstet. Aus historischen und kulturellen Hinweisen läßt sich schließen, daß es Schiffe zu beliebigen Punkten in einem Tausend-Lichtjahre-Radius von der Erde verschlagen hat …
Die Aufteilung der Menschheit in Makroweltler und Planetenbewohner stammt aus dieser Periode. Sie ist die Voraussetzung für das Verständnis der folgenden Auseinandersetzungen – Auseinandersetzungen in den Makrowelten selbst sowie Konflikte zwischen Makrowelten und natürlichen Welten …
RICHARD BULERO u. a.
Die Geschichte des Makro-Lebens, 10. Ausgabe,
überarbeitet und auf neuen Stand gebracht
Bd. 9, Sol 3025
Ich empfehle, nicht bei Siedlerplaneten einzugreifen. Wir können uns selbst nicht trauen. Beispiele aus der Geschichte auf der Erde sind in Betracht zu ziehen. Diktaturen in Asien, Afrika und Südamerika, die vom Westen ausgebildet, bewaffnet und unterstützt wurden. Es wäre schwierig, autoritäre Elemente nicht aus eigenem Interesse zu unterstützen, und außerdem verfügen rückständige Planeten über wenige Individuen, die wirklich von ihrem Innern her gelenkt werden und denen die Interessen ihrer eigenen Völker am Herzen liegen. Einer Gesellschaft muß es überlassen werden, aus ihren eigenen Methoden und Gepflogenheiten selbst herauszuwachsen. Sie kann nicht von außen gelenkt werden, damit nicht diese Schritte auf dem Weg, die in einer guten Absicht unternommen werden, dem Potential zur Selbstbestimmung Schaden zufügen. Nehmen Sie das Beispiel der Unabhängigkeitsbestrebungen Indiens. Selbst mit einem nicht gewalttätigen Führer mit guten Absichten konnte der Konflikt nicht unter Kontrolle gebracht werden – er mußte seinen Lauf nehmen …
Die alte Vorstellung, daß die Menschheit erdähnliche Planeten in endloser Expansion besiedelt, ist absurd. Wenn eine erdähnliche Welt nicht bereits über intelligentes Leben verfügt, ist es doch sehr wahrscheinlich, daß sie ein so geartetes Leben in der Zukunft entwickeln
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