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Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Titel: Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonino Benacquista
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    » Ich frage mich, ob es nicht ein Riesenfehler ist, wenn wir zusammenbleiben. Geh du doch durchs La-Chapelle-Viertel, ich komme über den Platz, wir treffen uns in einer halben Stunde hinterm Rathaus. «
    » Darf ich dir noch einen Rat geben? Das hat dir in Quantico bestimmt niemand beigebracht. Wenn du jemanden erschossen hast, dann erschieße ihn noch mal. Klingt absurd, auf eine Leiche ein zweites Mal loszuballern. Aber du glaubst gar nicht, wie nützlich das manchmal sein kann. «
    Er ging weg, und ich atmete auf. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er mich allein gelassen. Ich stand nicht mehr unter seiner Beobachtung. Und bewaffnet war ich wie ein Pistolero! Fred Blake war Vergangenheit. Ich war wieder ich. Gianni. Giovanni Manzoni war wieder da! Ich hätte es am liebsten durch die Straßen geschrien, aber das ging nicht. Das Warten war schmerzhaft gewesen. Aber ich hatte nie resigniert. Jede Minute in den letzten sechs Jahren hatte ich davon geträumt. Nie hatte ich die Hoffnung aufgegeben, in mein wahres Leben zurückzukehren. Dafür hatte ich überlebt. Und jetzt war es endlich so weit.
    Das Leben nämlich, das normale Menschen führen, geht über meine Kräfte. Das Alltagsleben von Alltagsmenschen, ich verstehe es nicht. Wie bringen sie Kopf und Herz dazu, da mitzuspielen? Wie können sie einer Welt Vertrauen schenken, die von ihnen Gehorsam verlangt? Die sie verletzt? Zum Opfer macht? Zum Opfer ihrer Nachbarn und des Staates? Wie kann man sich mit einem solchen Leben abfinden? Und wie werden all die braven Menschen reagieren, wenn ich ihnen zeige, dass sie nur gegen Windmühlen kämpfen? Dass sie nicht die geringste Chance haben, Berge zu versetzen?
    Es gibt nichts, was dich schützt, kleiner Mann. Du glaubst es zwar, aber da irrst du dich. Du bist nur ein dünner Halm, der auf Gedeih und Verderb einem Dreckskerl wie mir ausgeliefert ist. Und es gibt viele, viele Dreckskerle wie mich, und alle haben es auf dich abgesehen. Aber auch für die ehrenwerten Leute, die auf der richtigen Seite des Gesetzes stehen, bist du ein Nichts, höchstens jemand, der ihnen im Weg steht. Du tust mir leid, wirklich. Ich habe lange Zeit nichts von deinem Elend gewusst. Und wie groß es ist. Dabei gibst du dir weiß Gott Mühe. Ich habe dir zugesehen. Du glaubst weiter an die Menschen, versuchst, was du kannst. Aber alle deine Anstrengungen sind vergebens. Da gibt es nämlich die, denen dein Glaube an die Menschheit scheißegal ist. Und wenn du deshalb in Tränen ausbrichst? Wer wird dir zuhören? Wer wird sich um dich und deine kleine Familie kümmern? Jeder hat sein Päckchen zu tragen, wird man dir sagen. Da hast du doch noch Glück gehabt, wird man dir sagen. Und dann wirst du deinen Kopf einziehen und weitermarschieren, denn du bist der kleine Soldat, der immer weitermuss. Bis zum nächsten Mal.
    Auch ich habe versucht, so zu leben, habe es aber nicht hingekriegt. Dazu braucht es nämlich eine gehörige Portion Mut, die mir völlig abgeht.
    Während ich also all diese Fragen im Kopf habe, biege ich in die nächste Straße ein und stehe plötzlich einem der Schergen gegenüber, die mich ins Jenseits befördern wollen. Und den hier kenne ich sogar gut. Als Jungs waren wir unzertrennlich. Nick und ich hatten aus so manchem Kerl Kleinholz gemacht. Manchmal waren wir achtundvierzig Stunden ohne Unterbrechung zusammen. Der eine hat auf den andern aufgepasst, wenn wir auf fremdem Gebiet gewildert haben. So etwas schweißt natürlich zusammen.
    Als er mich sieht, zieht er keine Waffe. Ich übrigens auch nicht. Die Überraschung ist zu groß. Wir geben uns die Hand, lächeln uns an. » Du siehst gut aus. « – » Was hast du all die Jahre getrieben? « Beide erwarten wir, dass der andere jeden Augenblick seine Knarre zieht. Doch dieser Augenblick kommt nicht. Bei Boxern nennt man das » Vista « . (Während der Vista entscheidet sich, ob man ein Risiko eingehen kann oder nicht.) Und so stehen wir uns gegenüber, weder er noch ich riskieren etwas, keiner kommt aus der Deckung. Das Komische ist, dass da in unserer kleinen Plauderei auf einmal diese Aufrichtigkeit zu spüren ist. Es gibt nämlich ein Geheimnis, das uns verbindet.
    Wir waren damals zwanzig, und wir waren hungrig. Wild wie Dobermänner waren wir und ehrgeizig – ja, wir wollten die Welt aus den Angeln heben. Bevor es so weit war, haben wir für den Boss des Polsinelli-Clans so dies und das erledigt, niedere Dienste eben. Einmal sollten wir einen Buchmacher

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