Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
diesen Dreckskerl aufstöbern und an die ausliefern wollte, die es offensichtlich schon auf ihn abgesehen hatten.
Einige wollten sich ganz allein auf die Suche machen, in der geheimen Hoffnung, eine ordentliche Belohnung einzustreichen, mit der sie lange Zeit sorgenfrei leben könnten.
Hie und da rastete einer aus, was man aber nicht überbewerten sollte. Einige gerieten in eine quasirevolutionäre Stimmung, aus der sie sofort Kapital schlugen. Die große Gefahr, die da lauerte, erweckte alten Groll zu neuem Leben. Jetzt oder nie war die Gelegenheit für persönliche Rache.
Das schreckliche Gefühl der Ohnmacht weckte bei den Alten der Gemeinde finstere Erinnerungen an die Zeit der Okkupation. Das Wort »Krieg« fiel immer wieder.
Dabei hatte niemand diesen Krieg vorhersehen können. Denn noch gestern lebte man in dem kleinen Marktflecken nach dem Motto: Leben und leben lassen. Eine Stadt mit siebentausend Einwohnern, die aufs Haar ihrer Nachbarstadt glich, von der Geschichte nicht verschont, aber dennoch glimpflich davongekommen, ein Städtchen, nicht besser oder schlechter als andere, das sich gemächlich weiterentwickelte, mit Einwohnern, die ihren Ort liebten, aber dennoch von der Fremde träumten. Glaubte man den Statistiken, so entsprach hier alles dem nationalen Durchschnitt, alle lebten nach der demografischen Norm. Ein Soziologe hätte – auch wenn er Gefahr lief, vor Langeweile zu sterben – in Cholong die Grundzüge jeder französischen Provinzstadt studieren können. Und das alles hätte weitergehen können bis zum Ende aller Tage, wenn sich die Einwohner von Cholong nicht auf einmal in einem Krieg befunden hätten, den sie nicht selbst ausgelöst hatten.
Was ich jetzt erzählen werde, habe ich tatsächlich erlebt. Weiterhelfen wird mir das nicht.
Aber wenn ich es nicht erlebt hätte, erfinden könnte ich es auch nicht.
Es gibt Dinge, die kann man sich nicht ausdenken, so wie es Dinge gibt, die man nur beschreiben kann, wenn man sie persönlich erlebt hat. Man muss sie am eigenen Leib erfahren haben. Quint muss die Klappe halten, das gehört zu seinem Job. Die Geschichte, die er der ganzen Welt aufgebunden hat – ich allein weiß, was wahr daran ist und was Lüge. Schließlich bin ich neben ihm der einzige Zeuge.
Die Versuchung war einfach zu groß. Ich musste mich vor ein weißes Blatt Papier setzen und berichten, was tatsächlich passiert war. Auch wenn es niemand lesen sollte. Bevor, lieber Leser, du mich für verrückt erklärst, lass dir erzählen, wie Quint und ich versucht haben, die Ordnung in der Stadt wiederherzustellen.
Vornweg aber stell dir Folgendes vor: Du machst mit deinem größten Feind gemeinsame Sache, um deinen eigenen Bruder loszuwerden. Ich, Giovanni Manzoni, habe mit dem Mann einen Pakt geschlossen, den ich im Traum schon voller Genugtuung tausendmal habe elendig verrecken sehen. Wenn ich jetzt so viel später daran denke, dreht es mir immer noch den Magen um. Ich werde versuchen, mein freches Mundwerk im Zaum zu halten, wenn die Sprache auf diesen Scheißbullen kommt. (Die Versuchung ist natürlich groß, aber man sollte Wiederholungen vermeiden.) Ich werde ihn also einfach Tom Quint nennen oder Tomaso Quintiliani, wie er in voller Länge heißt. Eines Tages werden sie mich zwingen, allen in der Geschichte falsche Namen zu geben, aber bis dahin ...
Wäre der Typ doch nur ein Produkt meiner Fantasie. Eine ganz und gar erfundene Figur. Dann würde ich ihn nur das sagen und tun lassen, was mir gefällt. So könnte ich mich für alles rächen, was er mir angetan hat. Aber diesen Tom gibt es wirklich. Und er ist unberechenbar. Ich habe keine Ahnung, was ihn antreibt. Aber eins ist sicher: Er ist ein Gerechtigkeitsfanatiker. Kannst du dir das vorstellen? Er ist nicht der nette Bulle von nebenan, der sich für das Leben in seinem Viertel interessiert, ein herzensguter Mensch mit vielen kleinen Fehlern. (Die Sorte kenne ich zur Genüge, von denen habe ich schon einige beiseitegeschafft.) Nein, Tom ist aus anderem Holz geschnitzt. Es klingt bescheuert, aber auch heute gibt es noch Rächer. Tom ist der schlimmste aller Bullen, weil er der beste ist. Vier lange Jahre, und keinen Tag weniger, hat er gebraucht, um mich einzulochen. Aber am Ende hatte er mich. Diese Typen vom FBI ticken anders als der Rest der Menschheit, der sich mit ein paar Dollar in der Tasche amüsieren kann, der mit seinen Kindern ins Kino geht und sich um seine gelangweilte Frau kümmert. Nein, diese Typen
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