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Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Titel: Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonino Benacquista
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er nichts vergaß und stets eine gerechte Strafe bereithielt.
    »Weißt du, Giovanni, wenn es im Sommer sehr heiß ist, schlafe ich am liebsten unter einer dünnen Decke. Man denkt, eigentlich braucht man sie nicht, aber dann geht es doch nicht ohne. Sie beschützt einen nämlich in der Nacht. Gott war für mich diese dünne Decke«, das sagte sie oft zu ihm, »und du hast sie mir weggenommen.«
    Zwanzig Jahre später war die Versuchung, wieder mit Gott in Kontakt zu treten, sehr klein geworden. Ob sie ein anderer Mensch geworden war oder ob der Allmächtige sich verändert hatte, wusste sie nicht genau zu sagen. Jedenfalls brauchte sie diese dünne Decke nun nicht mehr.
    *
    In einem Schuppen beim Stadion suchte Belles Sportlehrerin, Madame Barbet, etwas zum Anziehen für ihre neue Schülerin.
    »Man hat mir nicht gesagt, dass ich meine Sportsachen mitbringen muss«, sagte Belle.
    »Kein Problem. Probiere die an.«
    Belle schlüpfte in eine marineblaue kurze Hose für Jungs und schnürte sie am Bund zusammen. Ihre Turnschuhe behielt sie an; es war das gleiche Modell von Laufschuhen, das sie schon in Newark getragen hatte. Dann zog sie ein zitronengelbes Trikot mit der Rückennummer 4 über.
    »Das geht mir bis zu den Knien.«
    »Ich habe nichts Kleineres.«
    Trotz ihrer Bemühungen gelang es Belle nicht, die Träger ihres roten Baumwoll- BH s unter dem Trikot verschwinden zu lassen.
    »Wir sind doch unter Mädchen«, sagte Madame Barbet und maß der Sache keine Bedeutung mehr bei.
    Belle folgte ihr auf den Basketballplatz, auf dem die Klasse bereits trainierte. Eine Amerikanerin in Aktion zu sehen, darauf warteten sie alle. Man warf ihr den Ball zu, sie ließ ihn zwei-, dreimal auf dem Boden aufspringen – das hatten die anderen auch getan – und warf ihn der Mitspielerin zu, die ihr am nächsten stand. Belle hatte sich nie für Sport interessiert, die Basketballregeln kannte sie kaum. Woher kam also die Anmut in ihren Bewegungen, die Leichtigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen? Diese Lässigkeit, mit der sie in Kleidungsstücken, die ihr nicht passten, plötzlich blendend aussah? Diese Ungezwungenheit, die vorzugeben für jede andere äußerst beschwerlich gewesen wäre? In ihrem geschmacklosen, fast lächerlichen Outfit sah Belle fantastisch aus; sie befand sich im Zentrum des Spiels.
    Auch den vier Tennisspielern weiter hinten entging dieses Schauspiel nicht. Sie unterbrachen ihr Match, klammerten sich an den Maschendrahtzaun und folgten mit den Augen dem Tanz eines roten Büstenhalters, dessen Inhalt mit jeder von Belles Bewegungen sanft und unschuldig auf und ab wippte.
    *
    Bald war es vier Uhr nachmittags, und doch gab es für Frederick keinen Grund, seinen Morgenmantel abzulegen. Er war nämlich nicht mehr das Symbol seiner Faulheit, sondern seine neue Arbeitskluft. Ungestraft konnte er von nun an den ganzen Tag schlampig und unrasiert in Hauslatschen umhermarschieren – und das blieben beileibe nicht die einzigen Entgleisungen, die er sich jetzt leisten konnte. Er schritt wie der Sonnenkönig in seinen Garten, angelockt vom Geräusch einer Gartenschere, das aus einer Trennhecke kam. Ein Nachbar schnitt seine Rosenstöcke. Über den Zaun hinweg gaben sie einander die Hand und beäugten sich.
    »Rosen brauchen das ganze Jahr Pflege«, sagte der Nachbar, um das anhaltende Schweigen zu beenden.
    »Wir sind Amerikaner. Gestern sind wir eingezogen«, antwortete Frederick. Etwas anderes war ihm nicht eingefallen.
    »Amerikaner?«
    »Ist das für Sie eine gute oder eine schlechte Nachricht?«
    »Warum sind Sie nach Frankreich gekommen?«
    »Meine Familie und ich, wir reisen viel. Wegen meines Berufs.«
    Genau deswegen hatte Frederick sich in den Garten gewagt. Er konnte es kaum erwarten, der Welt den neuen Frederick Blake vorzustellen.
    »Und was ist Ihr Beruf?«
    »Ich bin Schriftsteller.«
    »Schriftsteller?«
    Fred genoss diese herrliche Nachfrage.
    »Aufregend. Ein Schriftsteller also. Sicher schreiben Sie Romane?«
    Mit dieser Frage hatte Fred gerechnet.
    »O nein. Vielleicht später einmal. Im Augenblick schreibe ich Geschichtsbücher. Man hat mich gebeten, ein Werk über die Landung der Alliierten zu verfassen. Deshalb bin ich hier.«
    Während er redete, leicht abgewandt und einen Ellbogen auf einen Zaunpfosten gestützt, lag in seinem Blick eine aufgesetzte Demut, die von seiner neuen Rolle stammte, die ihm mehr und mehr zu Kopf stieg. Sich als Schriftsteller zu präsentieren, das löste in den

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