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Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Titel: Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonino Benacquista
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schon die ganze Cola …«
    Die Stimmen kamen aus nächster Nähe. Maggie nahm sich ein Sixpack Bier vom Getränkestapel; sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, das Geflüster des Geschäftsführers und zweier Kunden zu belauschen.
    »Ich hab nichts gegen die Amis, aber sie führen sich überall auf, als gehörte ihnen die Welt.«
    »Sie haben uns befreit, das stimmt. Aber seitdem fallen sie über uns her.«
    »Unsere Generation hat sich wenigstens nur die Nylonstrümpfe und das Kaugummi aufschwatzen lassen, aber unsere Kinder …«
    »Mein Sohn trägt ihre Klamotten, hört ihre Musik, findet das toll, was sie toll finden.«
    »Am schlimmsten ist es mit dem Essen. Sogar wenn ich ihr Lieblingsessen koche, stehlen sich meine Kinder vom Mittagstisch davon und laufen hinüber zu McDonald’s.«
    Maggie war gekränkt. Indem man sie für eine typische Amerikanerin hielt, trat man ihr Bemühen um Integration, ihren guten Willen mit Füßen. Und es steigerte noch die Ironie des Schicksals, dass man ihr in den USA die bürgerlichen Rechte aberkannt, ja, sie sogar aus ihrem Geburtsland vertrieben hatte.
    »Sie haben überhaupt keinen Geschmack. Das hat sich ja inzwischen rumgesprochen.«
    »Ein kulturloses Volk eben. Ich war dort, ich hab’s erlebt.«
    »Und wenn wir versuchen, uns da drüben niederzulassen«, sagte der Geschäftsführer, »empfängt uns auch keiner mit offenen Armen.«
    Maggie hatte in der Vergangenheit genug unter den misstrauischen Blicken und dem Gemurmel hinter ihrem Rücken gelitten. Der Sarkasmus, mit dem man sie empfing, die wilden Gerüchte, die man über sie in die Welt setzte und die sie nie entkräften konnte – die Erinnerung an all das hatten diese drei Unglückseligen nun, ohne es zu merken, in ihr geweckt. Dabei musste sie ihnen in vielen Punkten recht geben.
    »Und dann wollen sie die Welt regieren!«
    Ohne sich etwas anmerken zu lassen, ging sie zu den Putzmitteln, kaufte drei Flaschen Brennspiritus und eine Schachtel Streichhölzer, ging zur Kasse, zahlte und ging.
    Draußen konnte man die letzten Sonnenstrahlen bewundern, der Spätnachmittag hatte sich in einen frühen Abend verwandelt. Drinnen hatten es die Kunden eilig, während die Angestellten müde wurden; nichts Außergewöhnliches also an diesem Märztag, als die Kirchenuhr gerade sechs schlug. Die gleichen Rituale wie immer, die gleiche schläfrige Atmosphäre.
    Woher aber kam dieser Geruch von verbranntem Gummi, der den Kassiererinnen in die Nasen stieg?
    Eine Kundin stieß einen entsetzlichen Schrei aus. Der Geschäftsführer sah von seinem Bestellbuch auf: Im Schaufenster brannte es. Flammen schossen hoch und vereinten sich zu einer undurchdringlichen Feuerwand, die sich bereits ihren Weg ins Geschäft bahnte.
    Ein Lagerarbeiter reagierte als Erster und rief die Feuerwehr. Die Kunden suchten nach dem Notausgang, den Kassiererinnen gelang es zu flüchten; wohin, wusste niemand. Einzig der Geschäftsführer, der schon lange sein Leben mit dem Geschäft verwechselte, rührte sich nicht von der Stelle, hypnotisiert vom Tanz der rotgoldenen Funken vor seinen Augen.
    Die freiwillige Feuerwehr von Cholong-sur-Avre konnte weder die Markisen noch die Schaufensterauslagen noch die Waren selbst retten. Alles wurde ein Raub der Flammen. Außer einer Kiste mit leicht angestoßenen Äpfeln der Sorte Granny Smith.
    *
    Beim letzten Glockenschlag verließen Belle und ihre Klassenkameradinnen die Schule. Ein paar Unverbesserliche hatten keine Eile, nach Hause zu gehen, und hingen, Handy am Ohr und Kippe im Mund, am Eingang herum, während sich die meisten so schnell wie möglich aus dem Staub machten. Belle ging einen Teil des Weges mit Estelle und Lina, dann bog sie allein in den Boulevard Maréchal-Foch ein; keine Sekunde zweifelte sie daran, dass sie den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Belle gehörte zu der Sorte Menschen, die mit leichtem Schritt, den Kopf nach oben, durchs Leben gingen; neugierig auf alles und jeden und davon überzeugt, dass der Horizont in der Ferne mehr zu bieten hatte als der Asphalt unter ihren Füßen. In ihrer Art, stets nach vorne zu gehen, an sich und die anderen zu glauben, drückte sich ihre ganze Persönlichkeit aus. Im Gegensatz zu ihrem Bruder, dessen Wunden aus der Kindheit nicht verheilt waren, schaffte sie es, die Vergangenheit auf Distanz zu halten und sich selbst in den schwierigsten Augenblicken nicht von ihr einholen zu lassen. Niemand außer ihr wusste, woher sie diese Kraft nahm – fehlte

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