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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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zweiunddreißigjährige Frau und der sechzehnjährige Junge, der seine leibliche Mutter nie gekannt hatte, sahen sich an. Er fragend, hoffnungsvoll. Sie (typisch für sie) mit ihrem blaugrünen Blick voller Tatkraft. Halb praktisch, halb lieb, äußerst zärtlich. Und, außer wenn ihr Instinkt einer liebenden Frau ihr etwas anderes befahl, zu hundert Prozent dem verpflichtet, was sie als anständig betrachtete. Einmal, vor Jahren, hatte sie gemeint, das Kind – es wird acht gewesen sein – müsse doch wissen, wer seine richtige Mutter gewesen war und wie sie ausgesehen hatte.
    »Meine Mutter?« hatte der kleine Stiefsohn, noch etwas weiß um die Nase, wiederholt.
    Es geschah kurz nach einer kleinen häuslichen Aufregung. Ricky hatte ihm mit einer Stopfnadel einen Mordssplitter, der sich weit unter die Haut geschoben hatte, aus dem Oberschenkel gepult.
    »Ja, mein Herzensschatz«, hatte sie gesagt. »Sie soll eine Schönheit gewesen sein.«
    Dann winkte sie ihm, mit ihr nach oben zu gehen, die Treppe hinauf hinter ihr her, mochte es auch noch etwas schmerzhaft für ihn sein, ins Malzimmer, in dem in diesem Moment niemand war, jedenfalls nicht lebendig.
    Nach einigem Herumgekrame: »Das ist sie.«
    Der Junge, der es sich auf der Bank bequem gemacht hatte, sah friedlich von der Dame auf dem Bild weg und hinzu seiner jungen Stiefmutter, die das Porträt vor ihm auf den Boden gestellt hatte und festhielt.
    »Na komm schon, schau es dir an …«
    Es hatte umgedreht an der Wand hinter einigen anderen unverkauften Bildern gestanden. In seiner Erschütterung nach dem Tod seiner ersten Frau hatte der Maler das Porträt, das zu dem Zeitpunkt schon mindestens ein Jahr lang existierte, hervorgezogen, eine Stunde lang betrachtet und in den darauffolgenden Wochen völlig abgeändert und überarbeitet.
    Das Kind gehorchte.
    Der Maler hatte auf den flachen und ohnehin schon sehr großen Hut auch noch ein Mordsding von Straußenfeder plaziert. Das Dekolleté mit einem Stück Spitze bis zum Hals geschlossen. Die Spitze mit Zierband verbrämt. Die rechte Schulter, die rechte Brust und den rechten Arm unter einer schweren braunen Pelzstola verborgen, die Heinrich dem Achten nicht schlecht zu Gesicht gestanden hätte.
    Ricky seufzte tief.
    »Schön, nicht?«
    Der kleine Junge nickte. Wußte nichts Besseres zu tun, als dem beizupflichten, was Ricky, die das Bild mit ihren runden Armen fast umarmte, von oben zu sehen und ihm zu vermitteln versuchte. Der Holzfußboden knarrte in der Stille des Nachmittags. Der kleine Halbwaise erblickte, eine Armlänge von sich entfernt, eine Frauengestalt mit sprachlosem, von ihm abgewandten Gesicht, die mit halb gesenktem Blick in die Ferne schaute. Abwesend, leerer als leer, und das ganz zu Recht. Wonach hätte diese Geistgestalt, die ganz genau wußte, die Unterwelt würde sie nie wieder gehen lassen, noch Ausschau halten können? So reich ihr Witwersie auch ausstaffiert hatte? Ein Mann, der seine zu einem Schemen gewordene Frau so schön kleidet, sieht sie an, dreht sich nach ihr um und schaut, anders geht es nicht.
    Auch der kleine Junge schaute, wie ihm geheißen worden war. Kostete mit den Augen von seiner Mutter. Die schien ohnmächtig unter ihrem schönen Hut, unfähig zur kleinsten Bewegung. Es sollte noch Jahre dauern, bevor er und Ricky erfahren sollten, daß sie, über das Grab hinweg, doch nicht vollständig gelähmt gewesen war.
    Denn im siebzehnten Jahrhundert hatte das Sterbelager so seine festen Besucher. Da war der Pfarrer, selbstverständlich, aber mindestens genauso selbstverständlich und meistens sehr viel dringlicher bestellt, der Notar. Testamente waren eine wahre Leidenschaft in der Republik. Wer es sich auch nur halbwegs leisten konnte, ließ seinen letzten Willen festhalten, wie eine Stimme, die weiter insistiert, wie eine Andachtskerze, die nie herunterbrennt. So kam es, daß der Maler nach dem Tod seiner Frau nichts geerbt hat, aber doch den uneingeschränkten Nießbrauch über ihr Vermögen erhielt. Beim Aufsetzen des Dokuments war er damit völlig einverstanden gewesen. Die Essenz ihres Willens jedoch, die zweite Bestimmung des Testaments, die ihn hart im Genick packen sollte, als er sich wieder verliebte, die war ihm entgangen. Warum hätte er sie auch beachten sollen? Er besaß zu jener Zeit mehr als genug eigenes Geld.
    Sollte er sich erneut vermählen, so mußte er dem Sohn das Erbe seiner Mutter, ein Vermögen, unverzüglich auszahlen.
    Ricky und ihr Stiefsohn saßen

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