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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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also an jenem Nachmittag in der Küche des leergeräumten Hauses. Von irgendeinem realen Erbe war da schon lange keine Rede mehr, doch darandachten sie nicht. Es gibt Dinge, die weiß man, und es gibt Dinge, an die denkt man. Ricky, die wußte, daß ihr Mann sich, wenn er sie geheiratet hätte, einen formidablen Gläubiger eingehandelt hätte, hatte wieder zur Rührschüssel gegriffen. Sie konnte besser nachdenken, wenn ihre Hände beschäftigt waren. Der Junge, der wußte, daß die Waisenkammer der Stadt seine Interessen mit eisenharter Gerechtigkeit wahrgenommen hätte, hatte gedacht: Wenn ich mich nicht beeile, ist gleich alles verscherbelt.
    Er seufzte ungeduldig.
    Seine Stiefmutter sah auf.
    »Der Spiegel«, schlug sie vor.
    Der gute Junge war schon fort.
     
    Wie man aussieht? Interessiert einen das? Das eigene Haar, der Hut, das Doppelkinn, das sich inzwischen bis zu den Ohren ausgebreitet hat, die Seele, die einen – Gott bewahre– aus den Augen heraus intensiv betrachtet? Der Maler hatte sich wieder von dem Spiegel abgewandt. Nur wenn er das Ding nach vielem Hin und Her auf einer zweiten Staffelei in seinem Atelier aufgestellt hatte, es zentimetergenau zurechtrückend und -schiebend, war er bereit, wirklich hineinzuschauen. Dieser merkwürdige Kauz? Durch sein Gedächtnis schweifend, fiel sein Blick dann recht bald in den Blick eines anderen. Zwinkerte er mit den Augen, dann tat der andere es auch, das schon, doch wandte dieser sich ab, sagen wir mal in einer klassischen Dreiviertelpose, dann war er es, der Maler, der ihm folgte. Legte der Herr etwa den Ellbogen auf eine Fensterbank und sah ihn etwas hochherzig an, so dachte er: Ha, da haben wir ihn, Tizian da Cadore. Zog sein verehrtes Gegenbild es dagegen vor, den ganzenUnterarm aufliegen zu lassen, ja, dann hieß er wohl eher Albrecht Dürer, wie der zutiefst bewunderte Kollege, der in diesem Augenblick kühl, abwehrend, mitten durch ihn hindurchschaute, weil er nicht an ihm, dem künftigen Menschen des siebzehnten Jahrhunderts, interessiert war, natürlich nicht, sondern genauso wie er selbst auf kleine Signale von gewissen Vorgängern wartete. Und er wußte auch in etwa, von wem, er fand sie selbst ebenfalls fabelhaft … den fröhlichen Lucas van Leyden in seinem Kittel mit den riesigen Puffärmeln, die er bestimmt irgendwann einmal nachahmen würde, oder Jan van Eyck, der Stunden damit beschäftigt gewesen sein mußte, dieses rote Tuch so um seinen Kopf zu drapieren, daß die Zipfel wie lebendige Pelikanschnäbel nach außen standen.
     
    Meister unter sich. Davon konnte dieser Sohn, dieser halbwüchsige Junge bei seiner Rettungsaktion doch nichts wissen? Sich in einer endlosen Reihe von Spiegeln spiegelnd, schauen sich die Maler gegenseitig an und schärfen ihren Blick. Sie grübeln auf verschiedene Weise über dasselbe nach.
    Der Junge war in den Auktionssaal gestürmt. Ohne Bieternummer, dafür war keine Zeit gewesen. Den Blick aufs Podium geheftet, eilte er, den Arm wie ein gewiefter Trödler in der Luft, nach vorn, denn genau in diesem Moment wurde der Spiegel, ein Prachtstück aus der Werkstatt von Adriaen Wouterszoon Maes, von zwei Saaldienern aufs Podium gehoben.
    »Fünfundzwanzig Gulden!« ertönte es aus dem Mund irgendeines Subjekts, das keinen Cent in der Tasche hatte. So einen Preistreiber nennt man Schaf.
    »Dreißig!«
    Der dritte Hammerschlag. Der Sohn wurde rot vor lauter Glück. Er drehte sich sofort um, ging zum Tisch des Kassierers, zählte hocherfreut die Summe hin und machte sich auf die Suche nach einem Träger.
    Es wird ungefähr eine Dreiviertelstunde später gewesen sein, daß sich in dem Haus in der Breestraat eine traurige und auch ziemlich symbolträchtige Szene ereignete. Es klopft an der Haustür. Ziemlich leise, aber doch beunruhigend. Ricky ist ausgegangen. Der Maler, gerade zurückgekehrt von einem Barbierbesuch, öffnet. Er sieht seinen Sohn, der in einer Hand die blinkende Scherbe hält, mit der er an die Tür geklopft hat, mit der anderen balanciert er einen wohlbekannten Ebenholzrahmen auf seinen Schultern.
    »Sein Hemd stand offen. Seine Hände bluteten«, sollte der Maler seiner Frau später erzählen. »Er sah aus, als käme er aus dem Krieg.«
    Sein Sohn begann sich an ihm vorbei ins Vorderzimmer zu schieben, dessen Wände nur noch die bleichen Rechtecke der abgehängten Bilder aufwiesen.
    »Junge …« sagte der Maler entsetzt. »Erzähl.«
    Es war gleich hinter der Brücke über den Kloveniersburgwal

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