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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Blick seiner Frau Suzanna, als diese der Kopie eines Tizianansichtig wurde, eines der scheußlichsten Gemälde, die es überhaupt auf der Welt gibt: die Häutung bei lebendigem Leibe des kopfunter an einem Ast hängenden Marsyas, halb Mann, halb Bock.
    Die beiden hatten sich einen Augenblick lang angestarrt und an das Bild gedacht. Dann hatte der Maler, dessen Ton, dessen Pinselstrich völlig natürlich war, mit einem Seufzer der Rührung die Arme ausgebreitet.
     
    Die Wirklichkeit malen. Als einzigen, wahrhaften Lehrmeister der Schönheit die Natur akzeptieren. Aber – was ist die Natur des Todes?
    Er näherte sich jetzt der Betriebsamkeit der Häfen. Schon von weitem schlug ihm der Lärm entgegen. Jenseits der Brouwersgracht schreit jeder und alles immer lauter, bis hin zu den Aushängeschildern. In sich gekehrt, aber außerstande, nicht hinzuschauen, las er die in roten Buchstaben gepinselte Aufschrift an einer Schornsteinfegerei – aufs dach hinauf! – und dachte in diesem Moment nicht, jedenfalls nicht bewußt, an den anderen Hingerichteten, der ihn vor über dreißig Jahren einmal beschäftigt hatte, den kräftig gebauten Mann, splitternackt ausgestreckt auf dem Tisch. Trotzdem war ihm sein erstes Gruppenporträt, in dem Datum und Name selbstbewußt im Bild selbst auftraten, noch lebhaft in Erinnerung.
    Natürlich war es damals kalt gewesen, Ende Januar. Eine öffentliche Obduktion war nur im Winter möglich.
    »Setzen Sie sich da hin«, hatte ein Helfer des Anatomen zu ihm gesagt und ihn am hereinströmenden Publikum vorbei zu einem kleinen sechseckigen Tisch direkt neben dem großen Tisch dirigiert.
    Noch jung, noch eingeschüchtert von der Gewichtigkeit und makabren Erregung, die sich nun im Raum ausbreiteten, hatte er auf den Toten geblickt, der mit steifem, von den Leichengasen aufgeblähten Brustkorb direkt vor ihm lag. Er zwang sich, die Augen offenzuhalten, nicht wegzuschauen. Wie seltsam lebendig der Schnurrbart aussah. In seinen Ohren begann es beunruhigend zu sausen. Er spürte, daß er sich jetzt besser sofort an die Arbeit machte.
    Das Licht war weiß und weich, gedämpft von Schneebahnen, die die Fenstersimse bedeckten. Während der etwas heruntergekommene kleine Saal sich füllte, hatte er den Toten bereits gezeichnet – der Mann hieß ’t Kindt –, der nach einem wertlosen Leben heute seinen Nutzen beweisen würde. Leichen waren ein besonders schwer zu beschaffender Artikel. Die Anatomieabteilung der Universität zu Leiden kämpfte um sie mit der Abteilung der gierigen Menschenhäuter, wie man sie dort nannte, in Amsterdam. Beide Städte mochten zwar das Patent besitzen, einige Male im Jahr einen Toten zu sezieren, gemeine Kriminelle, an andere war gar nicht zu denken, aber komm da mal einer dran! Körper und Seele waren eins. Auch die Eltern und Kinder von Verbrechern wehrten sich heftig gegen das Seziermesser. War das Nicht-Bestatten an sich schon eine zusätzliche Strafe, die verlorene Seele am Schandpfahl – aber nach dem Tod noch einmal getötet zu werden, das ging zu weit!
    Die Zeremonie begann, die Autopsie, ein Wort, das nichts anderes als das Sehen mit eigenen Augen bedeutet. Einen Zeichenstift in der Hand, sah der Maler, dreißig Jahre jünger als heute, wie der Anatom Tulp, umringt von sechs Wundärzten, mit einem raschen Schnitt die Bauchhöhle von ’t Kindt öffnete und die Eingeweide herausschöpfte.Von dieser Operation zeichnete er nichts, sondern konzentrierte sich weiter auf Haltung und Gesicht des Gehenkten, der nun einmal nicht wie all die anderen nachher noch mal kurz in sein Atelier kommen konnte, um nachzuposieren. Daß die eisige Kälte aus dem Raum verschwunden war, merkte er nicht, ebensowenig daß gegen den Gestank Wacholder verbrannt wurde. Während die Stunden verstrichen, füllte er Blatt um Blatt mit Köpfen, Haltungen und der Position der Ärzte als Gruppe, rings um das, was er für sich längst als das Herzstück des Gemäldes bestimmt hatte. Den unverbesserlichen ’t Kindt, der erst kürzlich wieder einen Mantel gestohlen hatte, jetzt nackt, kalt, grünlich und mausetot. Tatsächlich im Begriff, sowohl Tulp wie auch ihm selbst zu Ehre und Ansehen zu verhelfen.
    Der Arm des Diebes war an der Reihe. Er paßte gut auf. Die Funktionsweise von Arm und Hand war eine Spezialität des Doktors, aber auch, in anderer, grundlegenderer Hinsicht, von ihm selbst.
    »Die Beuge- und Strecksehnen, die vom Unterarm aus die Muskeln an den Knochenenden der Hand fixieren

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