Malerische Morde
wieder.«
Als er so vor ihr stand, mit einem nassen Socken in der Hand, halb barfuß und halb durchnässt, sagte sie zaghaft: »Oh ja, ich habe davon gehört.« Sie hatte ein Taschentuch hervorgeholt und tupfte auf ihrem Mantel herum. »Sind Sie von der Presse? Wissen Sie mehr darüber?«
»Oh nein«, stieß Herbie hervor, während er sich hüpfend des nächsten Sockens entledigte. »Ich … nun ja, ich ermittle.«
»Für wen?«
»Sagen wir mal: in eigenem Interesse.«
Sie strich sich eine weiße Locke aus der Stirn.
»Ich könnte Ihnen vielleicht etwas erzählen. Ich bin Frau Delamot.«
»Die Frau des Künstlers?« Herbie richtete sich auf, trat mit dem nackten rechten Fuß in etwas Spitzes, schrie leise auf und ließ sich wieder auf die Bank plumpsen.
»Seine
erste
Frau.
Ingrid
Delamot.« Sie sagte das so, als sei nach ihr eine stattliche Anzahl weiterer Frauen gefolgt.
»Oh, das ist fantastisch! Da können Sie mir sicher weiterhelfen. Ich habe tausend Fragen. Wer war Ihr Mann, ich meine, wer war er wirklich? Malte er oft morgens früh in der freien Natur? Kannte er das Mädchen schon lange? Hat sie oft für ihn Modell gestanden? War er …«
Sie unterbrach ihn lachend.
»Nein, nein. Hermann und ich leben schon seit sechs Jahren nicht mehr zusammen. Da verstehen Sie sicherlich, dass ich nicht allzu viel darüber erzählen kann, was er in der letzten Zeit so gemacht hat.«
Ihr Lachen verstummte abrupt.
»Verstehe.« Herbie kippte Wasser aus seinem Schuh. »Aber Sie wissen immerhin, wo er wohnt … wohnte … ich meine, wo er zuletzt wohnte, und so.«
»Nun, solche Dinge kann ich Ihnen natürlich erzählen. Vielleicht erzählen Sie mir dann im Gegenzug, was Sie herausgefunden haben.« Ihr Blick glitt über den Spiegel des Maares. Herbie versuchte, aus ihren Zügen Verbitterung oder Wehmut herauszulesen. Frau Delamot erleichterte es ihm, indem sie leise seufzte: »Sechs Jahre. Das ist eine lange Zeit, junger Mann. Da waren noch die Fotografien, die ab und zu in der Zeitung auftauchten. Man erkannte von Jahr zu Jahr, wie er älter wurde. Eigentlich hatten wir einmal zusammen alt werden wollen. Aber ich glaube, nicht jeder kann es ertragen, wenn man den Spiegel der eigenen Vergänglichkeit Tag für Tag an seiner Seite hat.« Sie hatte die Hände ineinander verschlungen, während sie so dastand. Das Kinn hatte sie auf die Brust gesenkt und betrachtete ihre Fußspitzen. Ein wenig wie ein schuldbewusstes Schulmädchen, wie Herbie fand.
»Lebte er allein? Ich meine, selbst wenn Sie nicht mehr mit ihm zusammenlebten … so etwas erfährt man ja doch irgendwie.«
Sie blieb stehen und lachte auf.
»Allein? Nein, Hermann Delamot konnte nicht alleine sein. Er brauchte seine Stunden, in denen er ungestört arbeiten konnte. Da konnte er richtig zornig werden, wenn man ihn unterbrach, um ihm eine Tasse Kaffee zu bringen oder so was. Aber er hatte es sehr gerne, wenn man einfach nur in der Nähe war und sich ruhig verhielt. Wenn ich die Buchseiten leise genug umblätterte, habe ich Stunden um Stunden mit meinem Buch in seinem Atelier sitzen dürfen, während er malte. Er liebte das.« Sie seufzte. »Seine zweite Frau war früher sein Modell. Sie hatte feuerrotes Haar, so wie ich früher einmal. Und sie ist so um die vierzig rum. Auch so wie ich früher einmal …« Ihre Stimme brach und sie wandte sich ab.
Herbie hatte es geschafft, wieder in seine triefnassen Schuhe hineinzusteigen. Während er die Schnürsenkel zusammenzurrte, murmelte Julius:
Die kriegst du nie mehr aufgeknotet. Da musst du morgen mit der Flex ran
.
»Deborah heißt sie. Debbie war eine englische Studentin, die irgendwann von Bonn aus hier in die Eifel gekommen ist. Ein richtiges Satansweib, wissen Sie. Sie hat dem Hermann den Kopf verdreht. Sie nahm damals in Kronenburg an irgendeinem Seminar teil. Und so haben wir sie kennen gelernt. Wir lebten damals zusammen in Kronenburg, der Hermann und ich. Dann stand sie Hermann Modell. Eine leuchtend rote Mähne im Eifelwind. Es war wirklich ein herrliches Bild. Er hat sie immer wieder gemalt. So wie mich, früher. Sie können sich das vielleicht vorstellen. Heute arbeitet sie, glaube ich, beim Fernsehen. WDR Köln, soweit ich das weiß …«
Herbie räusperte sich und blickte Hilfe suchend zu Julius hinüber.
Da stehst du mit offenem Mund da und möchtest gerne eine Frage stellen. Nun los, frag schon, zaudere nicht, mein Bester. So peinlich kann es doch nicht sein!
»Nackt?«, fragte Herbie in die
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