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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Orthodoxie glaubt!
    Das mir gegenüber so willfährige Verhalten meiner Wachen muß die Zuhörerschaft, ohne daß sie dessen Bedeutung vollkommen begriffen
     hätte, angefeuert und ermutigt haben, denn jetzt schwirren die Schmähungen und Drohungen gegen Fulbert von allen Seiten heran,
     und es mischen sich hier und da, doch ebenso leidenschaftlich artikuliert, kleinliche persönliche Beschwerden ein. So höre
     ich den alten Pougès dem »Pfaffen« mit Haß vorwerfen, daß er ihm eines Tages ein Glas Wein verweigert habe. Fulbert scheint
     mir jetzt beinahe der einzige zu sein, der noch an ein unmittelbar bevorstehendes Eintreffen Vilmains glaubt. An diese Illusion
     klammert er sich. Ich sehe ihn in dieser Hoffnung noch durch ein Geräusch bestärkt, das in diesem Augenblick in seinem Rücken
     aus der Richtung des |515| großen Spitzbogentors vernehmbar wird. Er dreht sich um, und während er sich umdreht, kommt Maurice durch das Seitentor herein
     und gibt mir durch ein Zeichen zu verstehen, daß meine Freunde da sind.
    Fulbert, unablässig von immer wütenderen Verwünschungen überhäuft, bleibt mit stoischer Ruhe im Mittelgang stehen. Wenn Worte,
     Blicke und Gebärden für sich allein töten könnten, wäre er schon in Stücke gerissen. Und als der Moment gekommen ist, ihm
     den Gnadenstoß zu geben, zögere ich, denn plötzlich begreife ich, welches Schicksal ihn ereilen wird, wenn ich zustoße. Gewiß,
     dieses Zögern ist nur ein kleiner Luxus des Gewissens, den ich mir im letzten Moment leiste, um mich in bezug auf die Seele
     ebenso weiß zu machen, wie ich es durch die Kleidung bin. Denn es ist schließlich keine Zeit mehr. Ich habe eine Maschinerie
     in Bewegung gesetzt, und die kann ich nicht mehr aufhalten. Wenn Fulbert mein Verschwinden als Häretiker und als Rädelsführer
     für notwendig hält, so erachte ich das seine als unerläßlich für die Einigung zwischen Malevil und La Roque, die Grundlage
     unserer wechselseitigen Sicherheit. Der Unterschied ist der, daß ich ihn ohne Todesurteil, ohne Prozeß, ohne Flintenschuß,
     ohne mir auch nur die Hände zu beschmutzen, wirklich töten werde.
    Fulberts Stimme wird von dem haßerfüllten Geschrei des Publikums übertönt, und ich bewundere seinen Mut, wie er, außerstande,
     sich Gehör zu verschaffen, Blick für Blick mit Wucherzinsen heimzahlt. Dennoch, für einen Augenblick tritt Beruhigung ein,
     und er findet die Kraft, noch eine Herausforderung zu artikulieren.
    »Wenn Hauptmann Vilmain da ist, werdet ihr einen anderen Ton anschlagen!«
    Er hilft mir aus der Verlegenheit. Das ist für mich der Moment, meinen Trumpf auszuspielen. Froh über die unverhoffte Gelegenheit
     in letzter Minute, improvisiere ich. Ich breite, wie Fulbert es vorhin selbst getan hat, die Arme aus, und sobald der Lärm
     aufhört, sage ich mit betont fester Stimme:
    »Ich weiß nicht, warum du darauf bestehst, Vilmain Hauptmann zu nennen. Er ist kein Hauptmann gewesen (dieses »ge wesen « hebe ich nur ganz beiläufig hervor). Ich habe hier (ich ziehe meine Brieftasche hervor) ein Dokument, das es unwiderleglich
     beweist. Einen Berufsausweis. Mit einem sehr guten |516| Foto. Alle hier, die Vilmain gekannt haben, werden ihn wiedererkennen. Und auf diesem Ausweis steht schwarz auf weiß, daß
     Vilmain Buchhalter war. Herr Gazel, wollen Sie diesen Ausweis nehmen und ihn Fulbert zeigen?«
    Schlagartig wird es still, alle strecken gleichzeitig die Hälse und Köpfe vor, um Fulbert zu sehen. Denn der ist ja nicht
     blind, sosehr er es noch länger zu sein wünscht. Wenn das Dokument, das ich ihm bringen lasse, in meinen Besitz gekommen ist,
     was muß er daraus schließen? Fulbert greift nach dem Ausweis, den Gazel ihm reicht. Ein einziger Blick genügt ihm. Sein Gesicht
     bleibt unbeteiligt, er wechselt nicht einmal die Farbe. Doch die Hand, die den Ausweis hält, beginnt zu beben. Es ist keine
     sehr ins Auge fallende Bewegung; aber sie ist sehr rasch, und nichts scheint sie aufhalten zu können. Aus der Anspannung,
     die ich seinem Gesicht ablese, errate ich, daß Fulbert sich verzweifelt anstrengt, dieses kleine Papier, das wie ein Flügel
     um seine Fingerspitzen flattert, ruhig zu halten. Eine lange Sekunde vergeht, es gelingt ihm nicht, ein einziges Wort hervorzubringen.
     Ich habe nur noch einen Mann vor mir, der mit allen seinen Kräften gegen das Entsetzen ankämpft, das ihn befällt. Diese Marter
     verursacht mir plötzlich Übelkeit, und ich will sie

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