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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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haben wollte! Selbst wenn sie ihn nicht so gut bedient hätte«, fügt sie mit einer Einfalt hinzu,
     von der ich nicht zu sagen wüßte, ob sie echt oder geheuchelt ist.
    Inmitten von Gelächter und Anzüglichkeiten auf Fulberts Kosten setzt sie sich wieder hin. Fulbert aber vermeidet es, sich
     mit Josepha einzulassen, wie ich feststelle. Er kennt wohl ihre Zunge, er wendet sich lieber wieder an mich.
    »Ich sehe nicht ein, was du gewinnst, wenn du solches Geschwätz gegen deinen Bischof losläßt!« ruft er hochmütig.
    |511| »Du bist nicht mein Bischof! Noch lange nicht! Und deine Lügen will ich dir ins Maul zurückjagen! Da ist noch so eine faustdicke!
     Du hast behauptet, ich hätte mich von meinen Domestiken zum Priester wählen lassen. Vorerst solltest du wissen«, sage ich
     mit Betonung, »daß ich keine Domestiken habe. Ich habe Freunde und Gleichgestellte. Und im Gegensatz zu dem, was sich in La
     Roque abspielt, geht in Malevil nichts von Bedeutung vor, ohne daß wir nicht alle gemeinschaftlich darüber diskutiert hätten.
     Weshalb ich zum Priester gewählt worden bin? Ich will es dir sagen: Du ließest es dir sehr angelegen sein, uns in Malevil
     Herrn Gazel in dieser Eigenschaft aufzudrängen, und wir legten nicht den geringsten Wert darauf, Herrn Gazel zu bekommen.
     Ich hoffe, es verdrießt ihn nicht, wenn ich das sage. Und deshalb haben mich meine Gefährten zum Geistlichen gewählt. Ob ich
     ein guter oder ein schlechter Priester bin, weiß ich nicht. Ich bin, wie Herr Gazel, ein gewählter Priester. Ich tue mein
     Bestes. Wenn man nicht mit einem Pferd ackern kann, ackert man mit einem Esel. Ich glaube nicht schlechter zu sein als Herr
     Gazel, und es fällt mir nicht schwer, besser zu sein als du.« (Lachen und Beifall.)
    »Der Hochmut ist es, der aus dir spricht«, schreit Fulbert. »In Wirklichkeit bist du ein falscher Priester! Ein schlechter,
     ein fluchwürdiger Priester! Und du weißt es! Ich rede nicht einmal von deinem Privatleben …«
    »Ich auch nicht von deinem.«
    Er geht nicht darauf ein. Er hat wohl Angst, ich könnte von Miette reden.
    »Um nur ein Beispiel zu nennen«, fährt er wütend fort, »dei ne Auffassung und Ausübung der Beichte ist völlig ketzerisch.«
    »Ich weiß nicht, ob sie ketzerisch ist«, sage ich in bescheidenem Ton. »Ich bin in der Religion nicht genügend bewandert,
     um darüber zu entscheiden. Ich weiß nur, daß ich der Beichte ein wenig mißtraue, denn in den Händen eines schlechten Priesters
     kann sie zu einem Verfahren der Bespitzelung und zu einem Instrument der Herrschaft werden.«
    »Und Sie haben recht, Monsieur Comte«, ruft Judith mit ihrer Stentorstimme, »genau dazu ist die Beichte, gerade hier in La
     Roque, in den Händen dieses SS-Mannes geworden!«
    »Schweigen Sie doch!« sagt Fulbert. »Sie sind eine Verrückte, eine Aufrührerin und schlechte Christin!«
    |512| »Schämen Sie sich nicht«, ruft Marcel aus, der sich vorbeugt und mit mächtigen Händen seine Stuhllehne packt, »schämen Sie
     sich nicht, auf diese Art mit einer Frau zu sprechen, mit einer Frau, die weit gebildeter ist als Sie und die Ihnen neulich
     sogar die Dummheiten korrigiert hat, die Sie über die Brüder und Schwestern Jesu gesagt haben.«
    »Korrigiert!« ruft Fulbert mit erhobenen Armen aus. »Diese Exaltierte versteht nichts davon! Brüder und Schwestern ist ein
     Übersetzungsfehler: Es handelt sich um seine Vettern, ich habe es bereits gesagt!«
    Während sich, mitten im Prozeß, diese erstaunliche Evangelienexegese entzündet, sage ich mit leiser Stimme zu Maurice: Hol
     die andern, sag ihnen, sie sollen sich im Vorraum der Kapelle aufstellen und erst hereinkommen, wenn ich den Tod Vilmains
     bekanntgebe.
    Maurice macht sich geschmeidig und geräuschlos wie eine Katze davon, und ich erlaube mir, Judith zu unterbrechen, die, Stunde
     und Ort vergessend, mit Fulbert in eine leidenschaftliche Diskussion über die Verwandtschaft Jesu verwickelt ist.
    »Einen Moment!« sage ich. »Ich möchte zu Ende kommen!«
    Es tritt Schweigen ein, und Judith, die mich vergessen hatte, sieht mich reumütig an.
    »Ich komme nun«, fahre ich mit ruhiger Stimme fort, »zu dem letzten Verbrechen, dessen mich Fulbert bezichtigt: Ich hätte
     ihm einen Brief geschrieben, um die Lehnshoheit über La Roque wieder geltend zu machen und ihm anzukündigen, daß ich beabsichtige,
     den Ort gewaltsam zu erobern und zu besetzen. Sehr schade, daß Fulbert es nicht für gut befunden hat,

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