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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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ich mir, kann sich meine Nathalie alles zuziehen. Und wir haben nichts! Keinen Arzt,
     keine Antibiotika, und dabei sind alle diese abscheulichen Krankheiten in der Luft, an die man früher wegen der Impfungen
     gar nicht mehr gedacht hat. Das geringste Wehweh, und ich zittere. Nicht einmal Wasserstoffsuperoxid habe ich mehr. Weißt
     du, was ich habe, um sie zu pflegen? Ein Thermometer!«
    »Und wer versorgt sie dir im Augenblick, meine arme Marie?«
    »Eine alte Frau im Dorf, sie versorgt auch die Christine.«
    Ich verabschiede mich und bitte sie, mir Agnès herzurufen. Da ist sie. Mit Agnès ist es anders. Mit Agnès bin ich kurz, autoritär
     und von verstohlener Zärtlichkeit.
    »Agnès, nachdem du Judith bei der Abstimmung deine Stimme gegeben hast, mußt du ins Dorf zurückgehen. Du siehst nach deiner
     Christine, und wenn du das erledigt hast, erwartest |523| du mich in deinem Haus, ich komme dir nach. Ich habe mit dir zu reden.«
    Dieser Wasserfall von Befehlen setzt sie etwas in Erstaunen, aber wie ich richtig vermutet habe, fügt sie sich. Wir tauschen
     einen Blick, einen einzigen, und ich lasse sie allein, um Meyssonnier zu suchen.
    Meyssonnier ist ein harter Brocken. Als ich mich ihm nähere, mache ich mir innerlich doch einen Vorwurf daraus, daß ich meine
     Mitmenschen auf diese Weise manipuliere, zumal in seinem Falle. Doch es ist zum Vorteil aller, derer von Malevil und derer
     von La Roque. Das eben sage ich mir, wenn meine Gewandtheit mir selbst ein wenig widerwärtig wird, wie sie es Thomas zuweilen
     ist. Aber was ich von Meyssonnier verlangen will, ist ungeheuerlich. Ich schäme mich etwas. Was mich, wie man sieht, nicht
     daran gehindert hat, alle meine Trümpfe zu sammeln und mit gewonnenem Spiel anzutreten, das seinen kommunalen Ambitionen und
     sogar seinem Privatleben Rechnung trägt.
    Wortlos, mit diesem schmalen, von Pflicht und Mühe modellierten Gesicht, den blinzelnden Augen und dem straffen Haar (es ist
     ihm irgendwie gelungen, es zu schneiden), hört er mich an. Mir ist völlig bewußt, was ich tue: Ich bringe ihm die Schlüssel
     von La Roque und Marie Lanouaille auf einem goldenen Präsentierteller. Beides ist nicht hinreichend genug, um ihn zu bewegen,
     Malevil aufzugeben. Es wird ihm das Herz zerreißen, ich weiß es. Dennoch, ich habe keine Wahl. In La Roque sehe ich niemand,
     der ihm gleichkäme.
    Als ich ihm alles erklärt habe, sagt er weder ja noch nein. Er erkundigt sich, er grübelt.
    »Wenn ich recht verstehe, werde ich in La Roque eine doppelte Aufgabe haben. Ein Gemeinschaftsleben zu begründen und die Verteidigung
     zu organisieren.«
    »Vorerst die Verteidigung«, sage ich.
    Er nickt.
    »Das wird nicht leicht sein, die Mauern sind nicht unübersteigbar. Die Ausdehnung des Walls zwischen Süd- und Westtor ist
     zu groß. Es wird mir an Leuten fehlen. Besonders an jungen.«
    »Ich werde dir Burg und Jeannet geben.«
    Er schiebt die Unterlippe vor.
    »Und die Bewaffnung? Ich brauchte die Gewehre von Vilmain.«
    |524| »Davon haben wir zwanzig, wir werden teilen.«
    »Ich brauchte auch die Panzerfaust.«
    Ich beginne zu lachen.
    »Du übertreibst! So ein Nationalismus! Die Interessen von La Roque liegen dir schon zu sehr am Herzen!«
    »Ich habe nicht erklärt, daß ich annehmen werde«, sagt Meyssonnier vorsichtig.
    »Und schon erpreßt du mich!«
    Aber ich bringe ihn nicht einmal zum Lächeln.
    »Gut«, sage ich nach einem Moment Überlegung. »Sobald die Arbeiten an den Befestigungsanlagen von La Roque abgeschlossen sind,
     überlasse ich dir die Panzerfaust für jeweils vierzehn Tage im Monat.«
    »Na schön«, sagt Meyssonnier.
    Dieses »Na schön« hat jenen unbestimmten abschließenden Sinn, den wir ihm in Malevil geben.
    »Da haben wir noch«, fährt er fort, »die Beute aus Courcejac, die Feyrac hierhergebracht hat. Sie ist beträchtlich. Man müßte
     wissen, ob du darauf bestehst.«
    »Was ist vorhanden? Weißt du es?«
    »Ja. Eben ist es mir gesagt worden. Geflügel, zwei Schweine, zwei Kühe und Heu und Rüben in Menge. Das Heu ist dort in einer
     Scheune geblieben, und sie sind immerhin nicht so idiotisch gewesen, sie anzuzünden.«
    »Zwei Kühe! Ich dachte, die Leute in Courcejac hätten nur eine gehabt.«
    »Die zweite hatten sie versteckt, um sie nicht bei Fulbert abliefern zu müssen.«
    »Seht mir diese Menschen an! Sie haben darauf gepfiffen, ob die Babys in La Roque an Hunger krepieren, wenn nur ihr eigenes
     gut ernährt ist! Glück hat es ihnen

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