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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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die Distanz zu betonen.
    »Ich finde es nicht gerecht, von Aufhängen zu sprechen, Monsieur Fabrelâtre,
bevor
man Ihnen den Prozeß gemacht hat«, sage ich kalt.
    Seine Lippen beben, und sein Blick flimmert. Dieser Waschlappen tut mir leid. Trotzdem, würde Marcel sagen, soll ich seine
     Spitzelrolle in La Roque vergessen? Seine Mithilfe bei Fulberts Tyrannei?
    »Wer sind diese Leute?« fahre ich fort.
    »Welche, Monsieur Comte?« fragt er, kaum hörbar.
    »Die Ihnen den Prozeß machen wollen.«
    Er nennt mir ein paar Personen, und die hatten sich zu Fulberts Zeiten ganz sicher schön still verhalten. Jetzt, nach Fulberts
     Untergang, sehen wir unsere Schlappschwänze hart werden.
    Der amorphe Fabrelâtre ist indessen nicht blöde, er ist meinem Gedanken gefolgt.
    »Und dennoch«, sagt er mit seinem dünnen Stimmchen, »was habe ich anderes getan als sie? Ich habe mich nur gefügt.«
    Ich blicke ihn an.
    »Vielleicht, Monsieur Fabrelâtre, haben Sie sich etwas zu sehr gefügt?«
    Lieber Gott, wie ist der schlaff! Unter meiner Anschuldigung krümmt er sich zusammen wie eine Nacktschnecke. Und ich habe
     mich, selbst in Stiefeln, niemals entschließen können, Nacktschnecken zu zertreten. Ein rascher Stoß mit der Fußspitze, und
     ich hatte sie entfernt.
    »Hören Sie zu, Monsieur Fabrelâtre, regen Sie sich nicht auf, reden Sie mit niemand, und bleiben Sie hübsch in Ihrem Winkel.
     Wegen Ihres Prozesses werde ich sehen, was ich tun kann.«
    Daraufhin schicke ich ihn mitsamt seinen Dankesbezeigungen weg und wende mich Burg zu, der auf seinen kurzen Beinen, sein
     Küchenbullenbäuchlein vor sich herschiebend, mit lebhaftem und schlauem Blick aus dem Hintergrund der Kapelle rasch auf mich
     zukommt.
    »Oje, oje«, ruft er kurzatmig, »wenn Sie das gehört hätten! Mit Gazel gibt es einen Riesenaufstand, von wegen Leuten, die |528| ihm verbieten wollen, an Fulberts Grab Gebete zu sprechen. Gazel ist in schrecklicher Aufregung. Er hat mich gebeten, Ihnen
     die Sache zu melden.«
    Ich bin sprachlos. Die menschliche Dummheit und Niedertracht erscheint mir in diesem Augenblick ohne Grenzen. Ich frage mich,
     ob es sich wohl lohnt, sich solche Mühe zu geben, diese bösartige kleine Gattung zu verewigen. Ich sage zu Burg, er möge auf
     mich warten, ich würde Gazel mit ihm aufsuchen. Und flugs schnappe ich mir Judith, um sie ein wenig beiseite zu führen.
    Ich rede mit ihr, und selbstverständlich befingert sie mich. Ich finde mich drein und überlasse ihr meinen Bizeps.
    »Madame Médard«, sage ich, »die Menschen werden ungeduldig, die Zeit drängt. Darf ich Ihnen einige Anregungen unterbreiten?«
    Sie neigt ihren schweren Kopf.
    »Zum ersten: Die Liste des Gemeinderats müßte meines Erachtens Marcel vorlegen. Und er muß es geschickt machen. Darf ich offen
     sein?«
    »Aber natürlich, Monsieur Comte«, sagt Judith, deren Hand meinen Arm umklammert.
    »Es sind da zwei Namen, vor denen man zurückscheuen wird, der Ihre, weil Sie eine Frau sind, und der von Meyssonnier, wegen
     seiner alten Bindungen an die KP.«
    »Was für eine Diskriminierung!« ruft Judith aus.
    Ich unterbreche sie, bevor sie tiefer in die Wonnen liberaler Entrüstung taucht.
    »Was Sie anbelangt, sollte Marcel die Vorteile unterstreichen, die der Gemeinderat von Ihrer Bildung haben wird. Meyssonnier
     muß er als Fachmann in militärischen Fragen und als unentbehrlichen Verbindungsmann mit Malevil vorstellen. Im Augenblick
     kein Wort über das Bürgermeisteramt.«
    »Ich muß sagen, daß ich Ihr Feingefühl bewundere, Monsieur Comte«, sagt Judith und befühlt noch kraftvoller meinen Oberarm.
    »Wenn Sie mir erlauben, fahre ich fort. Es gibt Leute, die Fabrelâtre den Prozeß machen wollen. Was halten Sie davon?«
    »Das ist Blödsinn«, sagt Judith mit männlicher Knappheit.
    »Ich bin ganz Ihrer Ansicht. Einfache öffentliche Vorhaltungen werden genügen. Überdies wollen andere oder die gleichen |529| Personen Gazel verbieten, Fulbert ein christliches Begräbnis zukommen zu lassen. Kurzum, wir haben eine neue Antigone-Affäre
     anhängen.«
    Diese klassische Erinnerung erwidert Judith mit einem feinsinnigen Lächeln.
    »Ich danke Ihnen, daß Sie mich darauf aufmerksam gemacht haben, Monsieur Comte. Wenn wir gewählt werden, wollen wir alle diese
     Dummheiten im Keim ersticken.«
    »Und vielleicht müßte man, ich erlaube mir, es Ihnen wenigstens vorzuschlagen, alle Dekrete Fulberts widerrufen.«
    »Aber selbstverständlich.«
    »Schön, und da

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