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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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alte Márquez die Karte. Dort, wo die Zahl 1345 gestanden hatte, schrieb er unsichtbar mit dem Zeigefinger etwas auf das Pergament. Eine Jahreszahl, wie Catalina richtig vermutete.
    Augenblicklich begann sich der Stadtplan zu verändern. Straßen und Wege krochen vom Montjuic aus in alle Richtungen. Eine Hafenmauer wurde erkennbar und dort, wo eben noch grüne Felder gewesen waren, machten sich nun Häuser und Kirchen breit. Sogar Fabriken wuchsen am Stadtrand aus dem Nichts. Schiffe, die kleine Punkte waren, wurden auf dem Blau des Meeres sichtbar. In der Kartusche erschien eine neue Jahreszahl: 1889.
    »Was, in aller Welt…?«, flüsterte Catalina und wagte es nicht einmal, die Karte zu berühren.
    Immer noch war leise Musik zu hören und das Mädchen war sich ganz sicher, dass die Töne vom Pergament herkamen. Dass sie aus dem Pergament kamen, irgendwie. Es passierte einfach. Wie so etwas möglich war? Catalina hatte nicht die geringste Ahnung.
    »Das ist… Zauberei.« Ein anderes Wort fiel ihr nicht ein.
    Arcadio Márquez, der sie die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen hatte, sagte: »Deine Mutter mochte in deinem Alter gewesen sein, Catalina, als sie das hier erschaffen hat.« Zärtlich berührte er die Karte und bedeutete Catalina, das Gleiche zu tun.
    »Was ist das?«, flüsterte das Mädchen erschrocken. Das Papier fühlte sich warm an, fast als würde es atmen.
    »Meine Mutter hat wirklich diese Karte gemacht?«
    Das Bild vor Catalinas Blick wurde mit einem Mal ganz bunt. Überall in den Straßen flackerten Farben. Rote, gelbe, blaue und grüne Tupfer allerorts.
    »Sie erkennt dich«, sagte der Kartenmacher.
    Ungläubig starrte Catalina auf das Farbenspiel, das so schnell wieder erlosch, wie es aufgeflammt war. »Die Karte erkennt, dass ich Saritas Tochter bin?« War es das, was er ihr sagen wollte?
    »Sie hat dich begrüßt.«
    Catalina atmete tief durch.
    Die Karte mit dem Plan der singenden Stadt lag jetzt wieder auf dem Tisch wie eine gewöhnliche Karte.
    »Wie hat sie das gemacht?«
    Arcadio Márquez zuckte die Achseln. »Sie hat es einfach gekonnt.«
    »Einfach so?«
    Er nickte. »Ja, einfach so.«
    Das Mädchen überlegte kurz. »Seit wann besitzen Sie diese Karte?«
    »Seit mehr als zwanzig Jahren.«
    »Und warum zeigen Sie mir sie erst jetzt?«
    Sorgen huschten über das Gesicht des Kartenmachers. »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Wir haben Zeit.«
    »Ich weiß. Ja, ich weiß.« Er griff mit zittriger Hand nach der Dose, in der er seine Zigarillos aufbewahrte. »Es hat sich etwas ergeben, das…« Er stockte. »Nein, nein, ich sollte von vorne beginnen.«
    Catalina schwieg und wartete ab.
    Arcadio Márquez zupfte sich an seinem Bärtchen. Das tat er nur, wenn er angespannt war. So gut kannte Catalina ihn mittlerweile. »Als Sarita mit dir in jener Nacht hier auftauchte, da ahnte ich, dass mehr hinter diesem Besuch stecken mochte, als sie mir zu erzählen bereit war. Deine Mutter hatte schon immer ihre Geheimnisse. Wie eine Katze ist sie gewesen, damals. Dir nicht unähnlich, will ich meinen.« Er zwinkerte ihr zu. »Wenn da etwas in ihrem Leben passiert war, das sie nach Barcelona hat kommen lassen… sie hätte es mir nicht gesagt.« Er hob die Hand, bevor Catalina etwas einwenden konnte. »Der Tod deines Vaters hatte nichts damit zu tun. Es war etwas anderes, das ihr Sorgen bereitete.«
    »Was ist es gewesen?« Catalina fühlte sich mit einem Mal ganz atemlos. Sie hatte nie verstehen können, warum ihre Mutter sie so plötzlich hierhergebracht hatte, verstand es noch immer nicht.
    Sie hatte natürlich gefragt, wieder und wieder. »Warum tust du das? Warum lässt du mich allein? Wir müssen zusammenbleiben, gerade jetzt. Wir sind doch eine Familie, wir zwei.«
    »Auf manche Fragen gibt es keine Antworten«, hatte ihre Mutter gesagt.
    »Papa wäre da anderer Meinung gewesen.«
    Sarita Soleado hatte nichts darauf zu erwidern gewusst.
    »Ich komme bald wieder«, hatte sie stattdessen versprochen. Doch sie hatte Catalina dabei nicht ins Gesicht sehen können und bis heute hatte sie ihr Versprechen nicht gehalten.
    Der alte Márquez schaute dem Mädchen in die Augen. »Ich weiß nicht, warum Sarita dich hergebracht hat oder wo sie ist. Das musst du mir glauben.«
    »Aber Sie haben doch eine Vermutung.«
    »Die habe ich, allerdings.« Er entzündete ein Streichholz und zog an seinem Zigarillo.
    »Und?«
    »Sie gab mir ein Blatt Papier, nichts weiter.« Er stand auf, ging zu dem Schrank

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