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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Gestalt mit den dunklen Klamotten war einfach auf der Bildfläche erschienen und er war in sie hineingelaufen.
    Er seufzte gequält auf. Was für ein Schlamassel!
    Zu seinen Füßen glänzten die Scherben des einzigen Glühstabs, der in ganz Barcelona noch zu haben gewesen war. Langsam zog die Dämmerung auf. Niemals würde er es rechtzeitig schaffen und vor dem Einbruch der Dunkelheit beim Leuchtturm sein. Aber das war auch schon egal. Denn mit leeren Händen dort zu erscheinen war undenkbar. Jordi wusste, was ihn erwartete.
    Plötzlich fühlte er, wie unendliche Müdigkeit ihn überkam. Selbst die Vorstellung, sich einfach nur aufzusetzen und hinunter zum Hafen zu gehen, erschien ihm mit einem Mal unfassbar anstrengend.
    Und warum auch? Was hatte das überhaupt für einen Sinn?
    Er könnte zurück zum Laden des Leuchtgefäßemachers laufen, um… ja, um was zu tun? Um den spindeldürren Villángomez um einen neuen Glühstab zu bitten, obwohl er doch wusste, dass es gar keinen mehr gab? Nein, der Mann im Leuchtgefäßeladen konnte ihm nicht helfen.
    Niemand konnte ihm mehr helfen.
    So einfach war das.
    Der Leuchtturm würde heute Nacht ohne den Glühstab auskommen müssen, womöglich auch morgen und die ganze Woche. Blieb allein die Frage, wie Jordi das seinem Vater beibringen konnte.
    Ein sanfter Lichtschein fiel auf ihn. Jordi sah überrascht hoch. Die Laternen Barcelonas begannen zu glühen, der Abend breitete zögerlich seine Schwingen aus. Wie lange mochte er hier schon sitzen und grübeln?
    Bald würde es finstere Nacht sein und Barcelona hell erleuchtet von Abertausenden funkelnder Lichterlampen. Die Glühwürmchen würden um die Laternen tanzen und die Menschen kämen aus ihren Häusern, um die Besorgungen zu machen, für die es in der Mittagszeit zu heiß gewesen war. Die Stadt würde zum Leben erwachen, gerade so, als sei man in ein ganz schillerndes buntes Märchen versetzt worden.
    Einzig Jordis Gedanken würden trüb und traurig sein und ganz ohne Farbe.
    Ein Schmetterling erweckte mit einem Mal seine Aufmerksamkeit, weil er ihm dicht vor der Nase herumtanzte. Orangerot-bunte Flügel hatte er und Fühler, die wie wunderschöne Wimpern aussahen. Er flatterte lange vor dem Gesicht des Lichterjungen.
    Jordi streckte die Hand aus und für den Bruchteil eines Augenblicks setzte sich der Schmetterling auf seine Fingerspitze. Die winzigen Beinchen kitzelten ein wenig auf der Haut, und als Jordi lächelte, stellte er sich vor, wie das kleine Tier zurücklächelte.
    »Guten Flug«, flüsterte Jordi und achtete darauf, die zarten Schmetterlingsflügel nicht zu berühren.
    Dann flog der Schmetterling davon, tanzte durch die Gasse, umrundete eine Laterne, schwebend und flatternd, steuerte einen Balkon an, umkreiste die Wäsche, die dort hing, ließ sich vom Wind nach unten tragen, setzte sich auf das Schild einer Schusterei.
    Er sah nicht das Netz, das die Spinne dort gespannt hatte.
    »Pass auf«, flüsterte Jordi erschrocken.
    Zu spät! Wild zappelnd hatte sich der Schmetterling in dem großen Spinnennetz verfangen.
    Jordi überlegte kurz, ob er dem Schmetterling zu Hilfe kommen sollte. Er würde an der Hauswand emporklettern müssen, um zu dem Schild zu gelangen. Dann jedoch sah er, wie die bunten Flügel wütend auf- und zuklappten, wie die kleinen dürren Beinchen sich aus dem Netz zu befreien versuchten, während die Spinne mit dem fetten Leib in einer schattigen Ecke nur darauf wartete, dass die Kräfte ihrer Beute nachließen.
    Der Schmetterling jedoch dachte nicht im Traum daran, sich in sein Schicksal zu fügen. Weiter und weiter zappelte er, wild und ungestüm, suchte mit den Beinen nach neuem Halt, löste sich nach und nach von den klebrigen Fäden. Das ganze Spinnennetz schaukelte im sachten Wind, der vom Meer her wehte. Fast kam es Jordi so vor, als helfe der Wind dem Schmetterling, indem er der Spinne ins Gesicht blies und sie daran hinderte, zu ihrer Beute zu kriechen.
    »Du schaffst es«, hörte sich Jordi murmeln.
    Er trat vor. Der Efeu, der an der Hauswand in die Höhe rankte, müsste ihm ausreichend Halt bieten, wollte er nach oben klettern.
    Dabei wusste er, dass man die Flügel gar nicht berühren durfte. Schmetterlingsflügel, einmal berührt, und niemals wieder werden sie sich erheben. Das jedenfalls sagte man sich. Jordi hatte keine Ahnung, ob das wirklich der Wahrheit entsprach.
    Der Schmetterling, dem solche Weisheiten egal waren, hatte sich unterdessen fast befreit. Mit kräftigen

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