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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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vor dem sie sich schon seit Langem gefürchtet hatte.
    Der Wind war ein Freund, und wenn er ihr die Geschichten erzählte, die er draußen weitab der weißen Klippen oder sonst wo gefunden hatte, dann fühlte sie sich wie jemand, der einfach nur glücklich war.
    Oft saß sie, wie gerade jetzt, auf der breiten Festungsmauer vor dem Kastell, ließ die Füße baumeln und blickte auf die azurblaue See hinaus, wo die kleinen Fischerboote mit den dreieckigen Segeln ihre Runden drehten. Und während der Wind ihr Worte zuflüsterte, die zu Geschichten wurden, da kam ihr das Leben, das sie führte, gar nicht so einsam vor und die singende Stadt war mit einem Mal das Zuhause, das hier zu finden sie niemals geglaubt hätte.
    Catalina hatte die wuselnden Worte im Wispern des Windes schon als kleines Kind erkannt. Am Strand in ihrer Heimat war sie ihm das erste Mal begegnet und von da an waren sie Freunde gewesen. Schon damals hatte er ihr Geschichten erzählt und sie zum Lachen gebracht. Immer war er für Streiche zu haben gewesen und niemals war einer der Nachbarn dahintergekommen, wer die Wäsche von der Leine geweht oder die Hunde so lange am Fell gekitzelt hatte, dass ihr wütendes Gebell selbst den müdesten Schläfer aus seiner Siesta hatte aufschrecken lassen. Sie hatten viel Spaß miteinander gehabt, der Wind und sie.
    Ihre Eltern aber waren von all dem nicht gerade begeistert gewesen. »Du darfst mit niemandem darüber reden!«, hatten sie gewarnt.
    Catalina hatte nicht verstanden, was schlimm daran sein sollte, dass sie mit dem Wind sprach.
    »Die anderen Menschen halten dich für verschroben.«
    »Was heißt das… verschroben sein?« Sie war gerade einmal fünf Jahre alt gewesen, noch zu klein, um die Besorgnis ihrer Eltern zu verstehen. Aber alt genug, um die Furcht in ihrer beider Augen zu erkennen.
    »Verschroben sein heißt, dass du anders bist.«
    »Anders als wer?«
    »Anders als die anderen. Die Menschen reden normalerweise nicht mit dem Wind.«
    »Was ist so schlimm daran?«
    »Die Menschen mögen es nicht, wenn jemand anders ist.«
    »Aber es wäre langweilig, wenn alle gleich wären!«
    »Du bist noch zu jung, um das zu verstehen.«
    »Was soll denn schon passieren, wenn sie es herausfinden?«, hatte sie gefragt.
    Ihr Vater hatte langsam ihre Hände ergriffen und sie ganz ernst angeschaut. »Nicht alle Menschen«, hatte er gesagt, »sind auch gleichzeitig gute Menschen. Und selbst die guten Menschen sind manchmal böse, ohne dass sie es wirklich sein wollen. Sie tun dann schreckliche Dinge. Dinge, von denen sie glauben, dass sie richtig sind. Das, Catalina, ist überhaupt das Allerschlimmste.«
    Sie war wirklich noch zu jung gewesen, um das zu verstehen.
    »Ich werde es für mich behalten«, versprach sie. Und genau das hatte sie all die Jahre getan.
    Catalinas Blick wanderte von der Küstenlinie zu den bunten Häusern, deren Dächer im Sonnenlicht funkelten, hinüber zu den spitzschrägen Kirchtürmen der Sagrada Família, und zurück an den Ort, wo die klare blaue See das Land berührte.
    La Marina, das Viertel der Fischer und Seeleute, lag träge in der flimmernden Hitze der Mittagssonne. Kaum jemand regte sich dort unten. Selbst die Katzen lagen ausgestreckt in den Ecken und schliefen schnurrend. Boote mit Netzen und schlaffen Segeln säumten die Piers. Von hier oben sahen die Menschen, die sich in den Gassen herumdrückten, winzig wie Ameisen aus. In den sanften Wellen tanzten kleine Gischtgeister, die sich während der Siesta bis in den Hafen von Barcelona vorgewagt hatten.
    »Du siehst müde aus«, stellte El Cuento fest.
    »Ich musste gestern Abend noch eine Karte kopieren.« Sie gähnte und legte den Kopf in den Nacken. Der große Strohhut rutschte zur Seite. Braunes Haar kam darunter zum Vorschein, das sie zu zahlreichen, dünnen Zöpfen gebunden hatte, die viel zu zerfranst waren, um ordentlich zu wirken. »Die Serra de la Mala Costa, der Puig d’en Forns und die zackige Küstenlinie von Punta Xarraca bis zum Torre d’en Valls.« Sie seufzte gequält auf. »Die Karte von Eivissa soll übermorgen schon fertig sein.«
    Eigentlich hatte Catalina Gefallen am Zeichnen gefunden. Doch sie ärgerte sich darüber, dass sie sich damit begnügen musste, die Karten des Meisters zu kopieren. Seit Langem brannte sie darauf, dass der alte Márquez ihr endlich den Tuschestift anvertraute und sie ihre eigenen Karten zeichnen ließ.
    »Du lächelst jetzt öfter als früher«, sagte der Wind.
    Catalina schloss

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