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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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wonach ihnen war.
    Die Geräusche, die sie umgaben, wurden wieder lauter. Hände, die sich wie Klauen auf Holz anhörten, schabten an der Tür entlang. Körper drängten gegen das Hindernis, und wütende Stimmen zischten, fluchten und fauchten hinter dem Küchenschrank.
    »Das hört sich an, als würden sie mit bloßen Händen die Tür zerfetzen.«
    Catalina wischte sich übers Gesicht und warf Jordi einen nervösen Blick zu. »Das ist genau das, was ich jetzt brauche.«
    Firnis lief hektisch in der Küche umher, stopfte sich einige der verirrten Buchstaben in die Taschen, auf dass sie nicht verloren gingen in dem Tumult. »Allein werden sie niemals überleben«, murmelte er.
    Das Kratzen wurde lauter.
    Bedrohlich schwankte der Küchenschrank. Die Gläser und Teller und Tassen in seinen Fächern fielen herunter. Kleine und große Buchstaben stoben auf. Das Porzellan zerbrach auf dem Steinboden und dann kippte der Schrank vornüber.
    Mit einem Aufschrei sprang Catalina zum Fenster. Jordi war direkt hinter ihr.
    Firnis schlug die Hände vors Gesicht und flüsterte etwas. Catalina glaubte ein Rascheln zu hören.
    »Sie werden uns helfen«, sagte der Bibliothekar.
    Dann kamen die Schattenaugenmenschen.
    Ein Harlekin stand hinter ihnen, mitten in einem kunterbunten Bücherhaufen. Ohne Ausdruck verfolgten die geschminkten Augenschlitze das Geschehen. Das rotschwarze Grinsen schien einem Albtraum zu entstammen.
    Die Schattenaugenmenschen mochten früher nette und friedfertige Menschen gewesen sein. Geschäftige Leute, die einem im Vorbeigehen ein Lächeln schenkten und ihren Kindern Gutenachtgeschichten erzählten. Doch das war gewesen, bevor sie von den Schatten berührt worden waren. Jetzt waren sie seltsame Wesen, Kreaturen mit menschlichen Körpern und menschlich anmutenden Gesichtern, in denen jedoch nur Kälte war und Augen voller Finsternis. Manche von ihnen schnüffelten in der Luft herum, als wollten sie Witterung aufnehmen. Andere torkelten mit leeren Blicken und hängenden Armen nach vorne, immer und immer weiter.
    »Es sind zu viele.« Das war Jordi.
    Er stellte sich schützend vor Catalina. »Versuch aus dem Fenster zu klettern, hinauf zum Dach.«
    Mist, schon wieder klettern! Sie konnte nicht glauben, dass sie sich in haargenau derselben Situation befand wie am Tag zuvor.
    Die Schattenaugenmenschen näherten sich Firnis, der sich die ganze Zeit über nicht von der Stelle bewegt hatte. Immer noch flüsterte er in seine Handflächen hinein und es sah aus, als wolle er ein Eulenpfeifen erzeugen. Dann hob er die Hände, öffnete sie und war augenblicklich in eine Wolke aus kleinen und großen Buchstaben eingehüllt.
    »Was tut er da?«, flüsterte Jordi.
    Die Buchstaben formten Wörter. Lange, spitze Wörter. Wörter, die von alten Schlachten und Kampfeslust kündeten. Wörter, die mutig und hitzköpfig und zu allem bereit waren. Wörter, die Poeten geschrieben und Dichter besungen hatten.
    Sie stürzten sich in den Kampf. Wie Hornissen umschwärmten sie die Schattenaugenmenschen, rasten wildwütig auf sie zu, bissen sich an ihrer Kleidung fest, verwehrten ihnen die Sicht und setzten die Stachel ein, die Wörter, deren Bedeutung man kennt, nun einmal besitzen.
    Mit rudernden Armbewegungen versuchten die Schattenaugenmenschen ihrer Herr zu werden.
    Der Harlekin im Hintergrund rührte sich nicht.
    Ein zweiter Maskenmann trat neben den ersten und zischte Befehle. Mehr und mehr Schattenaugenmenschen brandeten heran, trafen auf die Wörter.
    »Wie viele sind das nur?«
    Jordi drehte den Kopf, sodass er Catalina in die Augen sehen konnte. »Die Frage ist«, raunte er, »wo kommen sie her?«
    Catalina schluckte. Jordi hatte recht.
    Wo, in aller Welt, kamen all die Schattenaugenmenschen her? Das waren nicht mehr die vereinzelten Späher, von denen Jordi ihr berichtet hatte. Nein, dies hier war eine Armee. Die Schattenaugenmenschen waren Legion und sie waren alle hinter ihr her.
    Sie war die Beute.
    Und das nur, weil sie dieses seltsame Talent geerbt hatte und schon jetzt eine Kartenmacherin war.
    »Verschwindet aus dem Fenster.« Firnis war jetzt bei den beiden Kindern. Er sah müde und unendlich traurig aus. »Die Wörter werden euch ein wenig Zeit verschaffen, aber sie werden diese Kreaturen nicht lange hinhalten können.« Die Augen, in denen auch jetzt noch kunterbunte Lettern schwammen, zwinkerten dem Mädchen und dem Jungen zu. »Klettert hoch hinauf aufs Dach. Ihr könnt über die Zinnen in einen der anderen

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