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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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ersten Mal, seit sie in Barcelona lebte, hatte Catalina das Gefühl, als hielte die singende Stadt die Luft an.
    In den Straßen tummelten sich nur wenige Menschen. Es musste bereits Mittag sein und Catalina erinnerte sich daran, wie sie gestern um diese Zeit oben in Montjuic gesessen und mit El Cuento geplaudert hatte.
    Gerade einen Tag war es her, dass ihr Leben noch ohne Sorge gewesen war. Keine Spur von Schatten oder Harlekins. Ein gewöhnliches Mädchen war sie gewesen.
    Und jetzt?
    Sie konnte die Welt verändern, indem sie einen Bleistift in die Hand nahm und etwas kritzelte und damit Dinge tat, die nicht richtig waren.
    War es möglich, dass erst eine einzige Nacht vergangen war seit alledem? Ihr schwindelte. Wie gerne hätte sie sich einfach nur an den Straßenrand gesetzt. Die Augen würde sie schließen und an gar nichts denken. Die Sonne würde ihre Nase kitzeln und…
    »Wir müssen weiter.«
    Ein lautes Heulen erklang in der langen Avinguda, die sie eben gekreuzt und schnell wieder hinter sich gelassen hatten. Wie Wolfsheulen, nur raschelnder, so hörte es sich an, aber Catalina wusste es besser. Sie erkannte die beiden Stimmen. Sie hörten sich jetzt nur nicht mehr so an wie vor wenigen Stunden noch.
    Pérez und Reverte hatten sich an ihre Fersen geheftet. Catalina hatte keine Ahnung, was aus ihnen geworden war. Aber das, was sie da aus der Ferne hörte, war kein Schattenaugenmensch. Das war etwas anderes. Etwas, das eben erst geschaffen worden war und weitaus furchteinflößender war, als die Marionetten aus Mensch und Schatten es je sein würden.
    »Ich kann nicht mehr«, stöhnte sie und blieb kurz stehen, starrte den Boden an und schnappte nach Luft.
    »Wir können nicht hierbleiben«, drängelte Jordi. Er schwitzte, das Haar klebte ihm nass an der Stirn. Er packte wieder ihre Hand.
    »Nicht so schnell«, bat Catalina, lief aber trotzdem weiter. Sie ignorierte das Seitenstechen, das stärker und stärker wurde.
    Pérez und Reverte waren gebildet und schlau gewesen. Und das, was da hinter ihnen durch das Labyrinth der singenden Stadt hastete, war zu einem Teil, das spürte sie, noch immer Pérez und noch immer Reverte – und darüber hinaus noch etwas anderes, das Catalina nicht zu fassen vermochte.
    Sie musste an den gestrigen Abend denken und die kindliche Begeisterung von Perez und Reverte, als sie den neuen Gedichtband erblickt hatten. Ein lauwarmer Anflug von Mutlosigkeit bemächtigte sich ihrer und sie hasste sich selbst dafür.
    Herrje, Jordi hatte nicht einmal geschlafen! Die ganze Nacht über hatte er seine Nase in die Bücher gesteckt. Er war derjenige, der müde sein und jammern müsste.
    Außerdem: Hatten sie es nicht geschafft, aus dem Haus der Nadeln zu entkommen, obwohl die Lage mehr als hoffnungslos gewesen war? Barcelona war riesengroß. Es gab Orte und Plätze, an denen sie sich vor den Schatten würden verbergen können.
    Und es gab auch noch Makris de los Santos. Ihre Mutter hatte ihr nicht ohne Grund den Namen zukommen lassen. Wenn sie erst einmal dorthin gefunden hätten, wären sie in Sicherheit. Makris würde ihnen Unterschlupf gewähren und Catalinas Fragen beantworten. Wenn sie nur wüsste, wo sie mit der Suche nach der geheimnisvollen Frau beginnen sollten!
    Gedanken kannst du dir später auch noch machen, schrie es in ihr. Wenn dich diese beiden Dinger, die dir folgen, einfangen, dann ist das Spiel ohnehin aus.
    Sie schluckte. Nein, das war nicht richtig. Dann würde das Spiel erst anfangen. Das war es, das ihr wirklich Angst machte. Die Harlekins waren hinter ihr her, weil sie etwas mit ihr vorhatten.
    Wie viele Menschen hatten sie bereits zu den ihren gemacht! Nahezu hundert Schattenaugenmenschen mochten es gewesen sein, die bei der Bibliothek aufgetaucht waren.
    Catalina fragte sich, was mit ihnen geschehen sein mochte. Waren sie tot? Hatten sie sich in Luft aufgelöst? Waren sie an einem anderen Ort?
    Sie rief sich die Caxa de la Punxes ins Gedächtnis – oder das, was von ihr übrig geblieben war.
    Über Trümmer waren sie auf ihrer Flucht geklettert, gestützt von El Cuento, der ihnen Halt gab und ihnen beistand, wenn sie drohten zu stürzen. Sie hatten den Kanal überwunden und nur ein einziges Mal hatte Catalina in den Schlund hineingesehen. Er schien keinen Boden zu haben und die Wassermassen wurden von ihm geschluckt, als sei er eine dunkle, durstige Kehle.
    Was hatte sie nur angerichtet?
    Mit voller Absicht hatte sie die Striche auf dem Tisch ausgeführt und

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