Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt
hier einfach gewesen.
Sarita Soleado hatte ihre Mutter gehasst, das entsprach tatsächlich der Wahrheit. Catalina kannte den Grund nicht, warum sie Nuria gehasst hatte, aber es konnte nur so gewesen sein, so und nie anders. Der Rest war, wie man so schön sagt, nichts als eine Geschichte gewesen.
Denn in Wirklichkeit war es Sarita gewesen, die all das, was sie Nuria vorwarf, getan hatte. Sie war diejenige, die sich auf einen Pakt mit den Schatten eingelassen hatte.
Ramon hatte recht gehabt, die ganze Zeit. Sarita hatte sich die Veränderungen auf Eivissa mit dem Tod ihres Mannes erkauft und Karfax zur Insel gelockt. Sie wollte, dass Nuria starb, denn mit Nuria würde die letzte Hexe sterben, die ihr noch gefährlich werden könnte. Sie wusste um Nurias Standhaftigkeit und sie ahnte, dass Catalinas Großmutter alles in ihrer Macht Stehende tun würde, um jene Veränderungen rückgängig machen zu können, die Sarita bewirken wollte.
Doch was war mit Catalina?
Was hatte Sarita mit ihrer Tochter im Sinn gehabt? Hatte sie ihr eigenes Fleisch und Blut wirklich schützen wollen, als sie Catalina nach Barcelona brachte und dort in der Obhut des alten Márquez zurückließ?
Catalina lief eine Gänsehaut über den Rücken, als sie die Wahrheit erkannte. Nichts von all dem war richtig.
Ihre Mutter brauchte sie. Sie und ihre Fähigkeiten.
»Eine allein vermag nicht die nötigen Kräfte aufzubringen«, hatte Sarita gesagt.
Catalina sollte eines Tages zusammen mit ihrer Mutter die neue Welt zeichnen. Es war ein teuflischer Plan und Catalina schauderte, als sie daran dachte, dass sie nur ein Splitter in diesem unglaublichen Spiel gewesen war.
Sarita wusste, dass Karfax die Schatten in die singende Stadt bringen und nach Catalina suchen würden. Sie hatte sich ausgemalt, wie die Spur ihn zur Windmühle führen würde, wo Catalina den alten Márquez zu schützen versuchte. Das war von Anfang an der Plan gewesen. Der alte Márquez sollte ihr so sehr ans Herz wachsen, dass er die einzige Person sein würde, dem das Schlimme wiederführe. Hätte sie das getan, wären bereits dort die ersten Schatten in ihr Herz gekrochen.
Doch der Plan war nicht aufgegangen.
Sie war mit El Cuentos Hilfe geflohen und nichts war geschehen.
Was war dann passiert?
Sie hatte Jordi kennengelernt, herrje, sie hatte sich verliebt, und ihre Fähigkeit, ihre besondere Fähigkeit, war erst in der Bibliothek aus ihr hervorgebrochen.
Dort hatte sie Jordi dazu verdammt, sein Schicksal zu erleiden. Das war der Preis, den sie würde zahlen müssen und von dem weder sie noch Jordi wussten, wie er wohl aussehen würde.
Die Schatten waren also bereits in ihrem Herzen.
Bloß…
Catalina spürte keine Eiseskälte in ihrem Herzen.
Sie vermisste Jordi, ja. Aber da war keine Kälte.
Eben das war es, was das Gesicht ihrer Mutter in diesem Augenblick in eine wütende Fratze verwandelte.
Niemals hatte Sarita damit gerechnet, dass Nuria Niebla ihr die Erinnerungen zurückgeben würde. Und vor allem hatte sie nicht damit gerechnet, dass Nuria noch lebte. Denn jetzt gab es jemanden, der Catalina helfen konnte. Ihre Großmutter hatte die Veränderungen an der Sagrada Família bewirkt, um Catalina beizuspringen. Vielleicht wüsste sie auch eine Möglichkeit, wie man Jordi retten konnte.
Es gab Zuversicht in des Mädchens Herzen. Und diese Zuversicht konnte alle Pläne Saritas vereiteln.
Catalina warf einen Blick auf ihre Mutter, die noch regungslos am Boden hockte und sie lauernd ansah.
Langsam stand sie auf und ging rückwärts aus dem Beichtstuhl, hinein in die Staubwolke.
Sarita machte keine Anstalten, ihr zu folgen.
Catalina hielt sich die Hand vor den Mund. Tränen strömten ihr übers Gesicht und sie weinte um ihre Mutter, die sie soeben verloren hatte.
So stolperte sie vorwärts und hatte keine Ahnung, was jetzt geschehen würde.
Sie hatte Saritas Plan vereitelt, zumindest glaubte sie das. Ohne Catalina würde es keine neue Welt der Schatten geben. Ohne ihre Tochter war ihre Mutter machtlos.
Der Staubnebel lichtete sich ein wenig und dann sah das Mädchen eine Gestalt am Boden liegen. Sie war pechschwarz und bewegte sich kaum.
Ramon! Sie humpelte zu ihm und kniete sich auf den Boden. Um ihn herum lagen viele tote Finsterfalter verstreut auf dem Boden. Er hatte sein Bestes gegeben und viele von ihnen in Stücke gerissen. Doch die Finsterfalter hatten ihn gestochen. Sie hatten ihn verletzt und jetzt lagen ebenso viele schwarze Rabenfedern um seinen
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