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Malice - Du entkommst ihm nicht

Malice - Du entkommst ihm nicht

Titel: Malice - Du entkommst ihm nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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stehen, die auf beiden Seiten des Portals standen und auf denen steinerne Wächterstatuen thronten. Ihre Gesichter waren so verwittert, dass sie kaum noch zu erkennen waren. Seth hielt seine Leuchtblase hoch, um sie besser sehen zu können.
    Was auch immer diese Geschöpfe darstellen sollten, Menschen mit Sicherheit nicht. Sie standen zwar aufrecht, trugen eine aufwendig gearbeitete Rüstung, die mit einem Muster verziert war, und hielten lange Hellebarden, aber ihre Beine sahen aus wie die von Pferden, und sie besaßen an jeder Hand nur zwei Finger und einen Daumen.
    »Frag mich nicht, was das für Typen sind, ich hab nämlich nicht die leiseste Ahnung«, kam Justin Seths Frage zuvor. Seth warf den Statuen noch einen letzten neugierigen Blick zu und folgte Justin dann in die Oubliette hinein.
    Direkt hinter dem Portal führte eine breite Freitreppe aus roh behauenen Steinquadern in die finstere Tiefe hinab. Das Licht der Leuchtblasen wurde fast vollständig von der pechschwarzen Finsternis verschluckt. Aus Angst zu stolpern und ins Nichts zu stürzen, setzte Seth vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Vom Bahnhof her fegte ein kühler Windstoß durch den Türspalt und zerrte an ihrer Kleidun g – wahrscheinlich war der Zug gerade abgefahren.
    »Hast du Höhenangst?«, erkundigte sich Justin, der voranging. Seine Stimme hallte von den Wänden des riesigen Raums wider.
    »Nein«, antwortete Seth wahrheitsgemäß. Viel mehr Angst als die Tiefe, die er sowieso nicht sah, machte ihm die alles durchdringende Dunkelheit. Sie kam ihm vor wie ein hungriges Tier, das nur darauf lauerte, dass ihre Leuchtblasen erloschen, um sich auf sie zu stürzen und sie zu verschlingen.
    Schweigend stiegen sie in die Tiefe hinab. Das Echo ihrer Schritte und das rhythmische Tropfen von Wasser auf Stein waren die einzigen Geräusch e – aber selbst sie schienen von der Schwärze aufgesogen zu werden.
    Gerade als Seth allmählich daran zu zweifeln begann, dass sie überhaupt jemals unten ankommen würden, hatten sie auf einmal die letzte Stufe erreicht. Das Licht der Leuchtblasen fiel auf einen gefliesten Boden und ließ in einiger Entfernung die Umrisse von unzähligen, parallel nebeneinander verlaufenden, von Bogen durchbrochenen Trassen erkennen, deren mächtige Pfeiler mit Symbolen geschmückt waren. Seth und Justin befanden sich auf einer riesigen unterirdischen Ebene, die von endlos langen viaduktähnlichen Bauten gitterartig durchzogen war. Der Boden war mit riesigen zerschmetterten Steinquadern übersät, die von eingestürzten Bogen stammten.
    »Tja, Alter«, seufzte Justin, nachdem sie sich einen Moment ratlos umgesehen hatten. »Entscheide du, wo’s langgeht.« Im Schein seiner Leuchtblase zuckten unheimliche Schatten über sein Gesicht. Seth deutete achselzuckend in eine beliebige Richtung und sie machten sich auf den Weg.
    2
    Kein Laut war zu hören, als sie durch die schier endlos scheinende dunkle, nur von unzähligen Pfeilern durchbrochene Weite marschierten, und nichts ließ darauf schließen, wozu dieses gigantische Bauwerk einmal gedient hatte. Bei jedem ihrer Schritte stoben feine Staubwolken unter ihren Schuhsohlen auf und es dauerte nicht lange, bis sie völlig die Orientierung verloren hatten. Die Pfeiler sahen alle gleich aus, und obwohl sie erst seit ein paar Minuten unterwegs waren, hätten sie schon jetzt nicht mehr zur Treppe zurückgefunden.
    Die Zeit verging und die Dunkelheit erstickte jedes Gespräch. Seth hatte sich noch nie so verloren gefühlt. Er kam sich winzig klein, unbedeutend und vollkommen allein vor. Der schwache Lichtschein ihrer Leuchtblasen spendete in der unendlichen Finsternis, die sie umgab, nur wenig Trost. Der Rückweg lag irgendwo im Dunkel und sie wussten nicht, wo sie hingingen. Seth spürte, wie kalte Angst in ihm hochkroch. Was, wenn ihre Leuchtblasen erloschen, bevor sie irgendwo angekommen waren?
    Da war kein Feind, gegen den sie kämpfen konnten, nichts, was mit Kraft oder Klugheit hätte besiegt werden können. Sie waren ganz und gar der Gnade dieses Ortes ausgeliefert.
    Seth spürte, wie die Panik in ihm wuchs, und beschleunigte seinen Schritt. Irgendwann mussten sie dieses endlose Labyrinth aus Arkadengängen doch hinter sich lassen und einen Hinweis darauf finden, welche Richtung sie einschlagen sollten. Aber sie sahen nur Säulen und Bogen um sich herum, und jede Sekunde, die verstrich, brachte ihre Lichtquellen dem Erlöschen ein Stückchen näher.
    Ihm war kalt. Er hatte das

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