Malina
von Wien. Jeden Tag könnten wir dann an diese neuen Mauern gehen und uns ausschütten vor Freude und Glück, denn es heißt glücklich, wir sind glücklich.
Ivan fragt: Soll ich das Licht auslöschen?
Nein, eines brennen lassen, bitte ein Licht lassen!
Ich lösche dir aber einmal alle Lichter aus, schlaf du endlich, sei glücklich.
Ich bin glücklich.
Wenn du nicht glücklich bist –
Was dann?
Dann wirst du nie etwas Gutes tun können.
Und ich sage zu mir, glücklich werde ich es tun können. Ivan geht leise aus dem Zimmer und löscht jedes Licht hinter sich, ich höre ihn gehen, ich liege ruhig da, glücklich.
Ich springe auf und ich knipse die Nachttischlampe an, stehe entsetzt im Zimmer mit zerrauften Haaren, mit den zerbissenen Lippen, ich laufe aus dem Zimmer und mache ein Licht nach dem anderen an, weil Malina vielleicht schon zu Hause ist, ich muß sofort mit Malina sprechen. Warum gibt es keine Glücksmauer und warum keine Freudenmauer? Wie heißt die Mauer, an die ich wieder gehe in der Nacht! Malina ist erstaunt aus seinem Zimmer gekommen, er sieht mich kopfschüttelnd an. Lohnt es sich denn noch, mit mir? frage ich Malina, und Malina antwortet nicht, er führt mich ins Bad, er nimmt einen Lappen, hält ihn unter das warme Wasser, er wischt mir das Gesicht ab damit, er sagt freundlich: Wie siehst du denn aus? was ist denn jetzt wieder? Im Gesicht verschmiert Malina mir die Wimperntusche, ich wehre ihn ab und suche nach einem öligen Lappen, stelle mich vor den Spiegel, die Flecken verschwinden, die schwarzen Spuren, die braunroten Spuren von einer Creme. Malina sieht mir zu, nachdenklich, er sagt: Du fragst michzu viel und zu früh. Noch lohnt es sich nicht, aber es wird sich vielleicht doch noch lohnen.
In der Inneren Stadt, in der Nähe der Peterskirche, habe ich ein altes Schreibpult gesehen, bei einem Antiquitätenhändler, er geht mit dem Preis nicht herunter, doch ich möchte es kaufen, weil ich dann etwas aufschreiben könnte auf ein altes, dauerhaftes Pergament, wie es keines mehr gibt, mit einer echten Feder, wie es keine mehr gibt, mit einer Tinte, wie man sie nicht mehr findet. Eine Inkunabel möchte ich schreiben im Stehen, denn es sind heute zwanzig Jahre her, daß ich Ivan liebe, und es ist ein Jahr und drei Monate und einunddreißig Tage an diesem 31. des Monats, daß ich ihn kenne, aber dann will ich noch eine ungeheuerliche lateinische Jahreszahl hinschreiben, ANNO DOMINI MDXXLI , aus der kein Mensch je klug werden wird. In die Majuskel würde ich mit einer roten Tinte die Blüten vom Türkenbund zeichnen und verstecken könnte ich mich in der Legende einer Frau, die es nie gegeben hat.
Die Geheimnisse der Prinzessin von Kagran
Es war einmal eine Prinzessin von Chagre oder von Chageran, aus einem Geschlecht, das sich in späteren Zeiten Kagran nannte. Denn der heilige Georg, der den Lindwurm in den Sümpfen erschlagen hat, damit nach dem Tod des Ungeheuers Klagenfurt erstehen konnte, war auch hier in dem alten Marchfelddorf, jenseits des Donaustroms, tätig, und es erinnert eine Gedenkkirche an ihn, nahe vom Überschwemmungsgebiet.
Die Prinzessin war sehr jung und sehr schön und sie hatte einen Rappen, auf dem sie allen anderen vorausflog. Ihre Gefolgsleute beredeten und baten sie, zurückzubleiben, denn das Land, in dem sie waren, an der Donau, war immer in Gefahr, und Grenzen gab es noch keine, wo später Raetien, Markomannien, Noricum, Moesien, Dacien, Illyrien und Pannonien waren. Es gab auch noch kein Cis- und Transleithanien, denn es war immer Völkerwanderung. Eines Tages ritten die ungarischen Husaren aus der Pußta herauf, aus dem weiten, ins Unerforschte reichenden Hungarien. Sie brachen mit ihren wilden asiatischen Pferden herein, die so schnell waren wie der Rappe der Prinzessin, und alles fürchtete sich sehr.
Die Prinzessin verlor die Herrschaft, sie geriet in viele Gefangenschaften, denn sie kämpfte nicht, aber sie wollte auch nicht dem alten König der Hunnen oder dem alten König der Awaren zur Frau gegeben werden. Man hielt sie als Beute gefangen und ließ sie bewachen von den vielen roten und blauen Reitern. Weil die Prinzessin eine wirkliche Prinzessin war, wollte sie sich lieber den Tod geben, als sich einem alten König zuführen lassen, und ehe die Nacht um war, mußte sie sich ein Herz fassen, denn man wollte sie auf die Burg des Hunnenkönigs oder gar des Awarenkönigs bringen. An Flucht dachte sie und sie hoffte, daß ihre Bewacher einschliefen
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